1. Ein erhebliches Potential an ausgestiegenen Pflegekräften kann sich unter bestimmten Bedingungen einen Wiedereinstieg zurück in ihren Beruf bzw. eine Aufstockung ihres Arbeitspensums vorstellen. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie die „Stille Reserve“ wieder zurück in den Pflegeberuf gewinnen?
Die Verbesserung von Arbeitsbedingungen und der Bezahlung sind für uns der Schlüssel zum Gewinnen und Halten von Pflegekräften. Es geht uns um die Planbarkeit von Arbeitszeiten, um ausbildungsadäquates Arbeiten und Entlastung durch Personalbemessung. Mit dem Tarifvertrag „Entlastung“ für die landeseigenen Klinken von Vivantes und Charité ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung gemacht worden. Die Entlastungstarifverträge entfalten hoffentlich Vorbildwirkung für die gesamte Branche. Auf Bundesebene werden wir uns weiterhin für einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag mit Bezahlung nach TVöD in allen Bereichen der Pflege einsetzen.
Viel zu lange wurden Pflegekräfte nur als Kostenfaktor gesehen, dabei ist das Personal die wichtigste Ressource im Krankenhaus. Die Ökonomisierung muss beendet und Pflegekräfte besonders umworben werden. Wir als LINKE setzen uns dafür ein, Pflegekräfte auch durch weitere Anreize wie attraktive Karrierewege, Aufbaustudiengänge und Weiterbildung sowie finanzielle Goodies wie etwa ÖPNV-Tickets zu unterstützen. Pflegende brauchen Unterstützung bei der Bewältigung des Schichtbetriebs – etwa KiTas am Ort, aber auch Wohnraum in der Nähe des Arbeitsortes sowie verlässliche und wertschätzende Personalführung. Wir wollen mehr fachliche Selbständigkeit in der Pflege, die nicht nur das Anhängsel ärztlichen Handelns ist. Dafür gibt es auch international gute Vorbilder.
2. Wie wollen Sie für mehr Ausbildung in der Pflege sorgen?
Obwohl viele Jugendliche die Ausbildung starten, verlässt ein großer Teil bereits während oder kurz nach der Ausbildung den Beruf. Zentral sind auch hier die Arbeitsbedingungen, die sich maßgeblich auf die Attraktivität des Pflegeberufs auswirken. Azubis dürfen nicht bereits in dieser ersten Phase überfordert und abgeschreckt werden.
Zudem muss alle Aus- und Fortbildung in Gesundheitsberufen gebührenfrei sein, die Arbeitsleistung während der Ausbildung vergütet werden. Daneben bedarf es neben der Akademisierung der Pflege auch eine gute Ausbildung für Pflegeassistenzkräfte nach einem berufseinheitlichen Curriculum und mit dem Ziel eines staatlich anerkannten Abschlusses. Angesichts des hohen Fachkräftebedarfs müssen die Ausbildungskapazitäten in Berlin zudem insgesamt weiter steigen. Wir setzen uns für einen schnellen Bau des neuen Standorts des Berliner Bildungs Campus für Gesundheitsberufe am Standort Wenckebach ein.
3. Mehr als die Hälfte der angebotenen Studienplätze für die primärqualifizierenden Pflegestudiengänge blieben zuletzt unbesetzt (56 %). Was wollen Sie für mehr Akademisierung in der Pflege und adäquate Rahmenbedingungen für Pflegestudierende tun?
Die Akademisierung der Pflege ist der richtige Weg, um die Attraktivität des Berufs zu erhöhen und auf die gestiegenen Anforderungen in der Pflege zu reagieren. Insbesondere die fehlende Vergütung in den Praxisphasen im Gegensatz zur Pflegeausbildung stellt derzeit ein großes Hemmnis für potentielle Studierende dar. Wir setzen uns daher dafür ein, dass Pflegestudierende eine Vergütung in gleicher Höhe wie Auszubildende Pflegekräfte oder Studierende eine Hebammenstudiums erhalten. Zudem muss die Durchlässigkeit im Bildungssystem erhöht werden. Daher sollte die dreijährige Pflegeausbildung den Zugang zu Hochschulstudiengängen in Pflegewissenschaften, Pflegemanagement oder Lehramt ermöglichen.
4. Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um Zeitarbeit in der Pflege nachhaltig einzudämmen?
In der Pflege braucht es gute verlässliche Arbeitsbedingungen und auskömmliche Löhne. Leiharbeit oder sonstige atypische Beschäftigungsverhältnisse sind hingegen keine Lösung und spalten die Belegschaften. Wir als LINKE unterstützen ein bundesweites weitgehendes Verbot von Leiharbeit in der Pflege etwa über den Bundesrat. Dieses Verbot kann aber nur wirken, wenn gleichzeitig die Arbeitsbedingungen der regulären Festangestellten deutlich verbessert werden – etwa über mehr Planbarkeit und mehr Teilzeitmöglichkeiten, aber auch über die Bezahlung. Wenn auch noch die jetzt im Leasing Arbeitenden den Beruf verlassen, haben wir nichts gewonnen. Wer an Pflege spart, zahlt es zum Schluss extra teuer. Damit wollen wir Schluss machen.
5. Wie möchten Sie das Problem der Wartezeiten im bürokratischen Verfahren der Berufsanerkennung internationaler Pflegekräfte lösen und Anerkennungsverfahren in Berlin beschleunigen?
Um die Wartezeiten zu verkürzen, gilt es insbesondere die personelle Ausstattung im für die Anerkennung zuständigen Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) zu verbessern. Es bedarf zudem bessere Unterstützungs- und Beratungsangebote für Antragstellende und besseren Zugang zu Informationen, damit Anträge möglichst vollständig eingereicht werden können. Zudem streben wir zukünftig die lückenlose digitale Abwicklung des Anerkennungsverfahrens an. Um mehr Menschen mit Migrationshintergrund die Möglichkeit zu geben eine Ausbildung in der Pflege zu beginnen, setzen wir uns zudem dafür ein, dass auch Migrant:innen mit dem Aufenthaltsstatus Duldung eine Pflegeausbildung aufnehmen können.