Wahlarena

Beitrag Wahlarena von Berufsverband Kinderkrankenpflege Deutschland e. V. (BeKD)

Die Ausbildungsreform mit der Umsetzung des Pflegeberufegesetzes entwickelt sich deutschlandweit für die Gesundheits- und Kinderkrankenpflege besorgniserregend.

Zur Berliner Situation in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflegeausbildung:

Man muss kein Prophet sein, um ein sich verschärfendes Dilemma zur Fachkräftesituation in der Kinderkrankenpflege in den Berliner pädiatrischen Einrichtungen seit der Inkraftsetzung des Pflegeberufegesetzes im Januar 2020 zu prognostizieren. Sie ist höchst prekär, eigentlich katastrophal!
Ein Kardinalproblem sind die fehlenden, nicht bedarfsgerechten spezifischen Ausbildungsplätze für die Nachwuchsgewinnung in den ambulanten und stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendmedizin. Im Schuljahr 2020/21 konnte der Berufsverband Kinderkrankenpflege Deutschland (BeKD e.V.) bei einer verbandsinternen Recherche nur beim Sana-Klinikum Lichtenberg diesbezügliche Ausbildungsangebote im Vertiefungseinsatz pädiatrische Versorgung als Voraussetzung für das Wahlrecht der Auszubildenden mit dem besonderen Berufsabschluss „Gesundheits- und Kinderkrankenpflege" nach § 59 Abs.2 Pflegeberufegesetz ermitteln (Länderübersicht und Gesamtzahlen siehe Abbildung).  

Erfreulich ist, dass 2022 weitere Kinderkliniken in Berlin mit diesem Ausbildungsangebot gefunden werden konnten. Das ist angesichts der extremen Widerstände in Berlin gegenüber der im Teil 5 des Pflegeberufegesetzes geregelten besonderen Berufsabschlüsse sehr zu begrüßen und das Engagement unserer Kollegen/-innen der Neonatologie bei Vivantes zur Werbung von Auszubildenden für die Kinderkrankenpflege besonders lobenswert. Jedoch bleibt gegenwärtig noch offen, an welchen Bildungsstätten in Berlin Auszubildende das Wahlrecht während der theoretischen Ausbildung entsprechend der Anlage 3 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung realisieren können. Hier besteht dringend Handlungsbedarf.
Leider sehen wir uns hierbei auch mit „Blockaden" und somit erheblichen Widerständen durch Berliner Pflegeschulen konfrontiert. Aus ideologischem und verbandspolitschem Kalkül sowie mit unsäglichen Argumenten werden die beiden besonderen Berufsabschlüsse im demokratisch legitimierten Pflegeberufegesetz in der Altenpflege und Gesundheits- und Kinderkrankenpflege diskreditiert und konterkariert. Die Vielfalt, die das Pflegeberufegesetz mitbringt, wird unübersehbar negiert.
Somit wenden sich Bewerber-/innen von der Gesundheits - und Kinderkrankenpflege ab und suchen Ausbildungen in anderen Berufen, wo das Kind im Mittelpunkt steht. Auszubildende sind frustriert und überfordert, weil maßgebliche pädiatrische Themen im Unterricht unterrepräsentiert sind und primär als „Arbeitspakete" für das Selbststudium übergeben werden. Dies beirrt zugleich Auszubildende mit Vertiefungseinsatz pädiatrische Versorgung, da der Fokus des Lehrstoffes auf für sie weniger relevante Pflegesituationen ausgerichtet ist und durch die Lehrenden konsequent andere Anreize vermittelt werden, als sich im letzten Ausbildungsdrittel für die Spezialisierung in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu positionieren. Das ist im Übrigen nicht nur ein Berliner Phänomen.
Des Weiteren bauen Träger darauf, dass Absolventen/-innen mit dem generalistischen Berufsabschluss „Pflegefachfrau/-mann“ über Einarbeitungskonzepte für die Kinderkrankenpflege kompetent gemacht werden. Aus unserer Perspektive verkennen die hierfür Verantwortlichen nicht nur die Spezifika unseres attraktiven und seit mehr als einem Jahrhundert in Deutschland eigenständigen Pflegeberufes, sondern auch die bestehenden und zusätzlichen Belastungen der Absolventen/-innen und Teams auf den pädiatrischen Stationen. Schon jetzt erleben wir angesichts der Unterbesetzung der Schichten während der praktischen Ausbildung Unzufriedenheit und Überforderung auf beiden Seiten. Womit wiederum Ausbildungsabbrüche und Fluktuation von Mitarbeitern/-innen begründet und vorprogrammiert sind.
Zur qualitativen und quantitativen Sicherstellung des postgradualen Kompetenzerwerbs in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege hat eine Expertengruppe beim BeKD e.V. eine Handreichung zur bundeseinheitlichen Anschlussqualifzierung in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege erarbeitet und im Oktober 2022 veröffentlicht.
Eine „Blaupause" fanden wir dazu im 2016 novellierten Gesundheits- und Krankenpflegegesetz Österreichs, wo die Zusatzausbildung für die Tätigkeit in der professionellen Kinder- und Jugendlichenpflege festgelegt ist. Im Kontext der Anschlussqualifizierung möchten wir nachdrücklich betonen, dass der Erwerb des Berufsabschluss „Gesundheits- und Kinderkrankenpflege" innerhalb der dreijährigen Berufsausbildung das Hauptanliegen des Berufsverbandes Kinderkrankenpflege Deutschland bei der Umsetzung des Pflegeberufegesetzes ist.
Angesichts der sowieso schon klaffenden Lücke und kritischen Personalausstattung an Newbies in der Kinderkrankenpflege ist die Versorgung der Kinder- und Jugendlichen sowie Begleitung ihrer Eltern u.a. durch Zeiten verlängerter Nachqualifizierung potentiell eine der heftigsten Gefahren jemals in unserem Beruf.
Zur Lösung dieses Problems und Verbesserung der gegenwärtigen Situation in der Berufsausbildung der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege in Berlin ist die bedarfsgerechte Bereitstellung von Ausbildungs- und Schulplätzen mit Vertiefungseinsatz pädiatrische Versorgung und Option des Wahlrechts dringend erforderlich, ja zwingend und unabdingbar.
Beispielsweise stehen in Hamburg dafür richtungweisend mehr als 200 Ausbildungsplätze bei den Trägern von Kinderkliniken und alle mit der Option des Wahlrechts zur Verfügung.
Die Forderung der Berliner Kinderärzte unter der Headline „ Es besteht eine akute Gefährdung für Kinder in Jugendliche im Bundesland Berlin" in ihrem Brandbrief am 26.01.2022 nach Wiedereinführung der eigenständigen Ausbildung in der Kinderkrankenpflege ist vor diesem aktuellen Sachstand zur Sicherstellung des beruflichen Nachwuchses für die Versorgung gesunder, kranker und behinderter Kinder vom Frühgeborenen bis zum Jugendlichen und Begleitung der Eltern mehr als verständlich.

Unterstrichen wird dies gegenwärtig durch eine u.E. sehr ernstzunehmende bundesweite Petition pro Kinderkrankenpflege als eigenständige Profession, um somit gewissermaßen diese Ausbildung zu reanimieren.

Ansprechpartner:

Ulrika Gehrke, Kinderkrankenschwester, Dipl. Medizinpädagogin            
Vorstandsmitglied BeKD e. V.

E-Mail: ulrikagehrke@web.de

Henning Demann, Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger, MBA

Stationspflegeleitung Neonatologische und Pädiatrische Intensivstation, Klinikum Friedrichshain  

E-Mail: Henning.Demann@vivantes.de