Im Gespräch mit...

Manuela Branzke ist 43 Jahre alt und hat 2002 ihre Krankenpflegeausbildung an der Charité absolviert. Seitdem hat sich einiges geändert, sagt sie. Sie verrät uns, warum sie heute nicht mehr in der Pflege arbeitet und was sich ändern müsste, um sie als „Stille Reserve“ wieder zurückgewinnen zu können.

  1.   Wie war Dein beruflicher Werdegang in der Pflege und was machst Du heute?

Die Ausbildung an der Charité hat meinen beruflichen Werdegang enorm geprägt. Aufgrund von Wunscheinsätzen und Einsätzen im Ausland habe ich mich 2006 in die Schweiz nach Bern begeben, um dort meine Intensivpflegeausbildung sofort zu beginnen. In Berlin sollte ich noch fünf Jahre darauf warten und ich habe stets einjährig befristete Arbeitsverträge bekommen. Zu dieser Zeit hatte ich bereits drei Jahre auf der ITS in der Charité gearbeitet. Nach zehn Jahren in der Schweiz, einer abgeschlossenen ITS-Fachweiterbildung und Ausbildung zur Erwachsenenbildnerin, vielen Erlebnissen, Wissen und Erfahrungen bin ich mit meiner Familie in die Nähe der Eltern (Nähe Potsdam) zurückgezogen.

  1.   Warum bist Du damals in die Schweiz gegangen?

In der Schweiz (Inselspital Bern) war es stets ein Miteinander-Arbeiten, Arbeiten auf Augenhöhe mit allen Berufsgruppen, durch die ITS-Ausbildung mit sehr vielen Kompetenzen und somit mit viel Verantwortung. Das Ziel war die bestmögliche Genesung des Patienten, Pflege mit Würde und Respekt.

  1.   Was war der ausschlaggebende Grund für Deinen Ausstieg aus der Pflege?

Zurück in Deutschland wollte ich auf keinen Fall zurück in die Pflege, zumal mir die ITS-Ausbildung nach längeren Bemühungen nicht anerkannt wurde. Gemäß Aussage und Gesetzgebung (sehr veraltet) hätte ich die komplette Ausbildung wiederholen müssen. Aus diesem Grund wurde ich seit meiner Rückkehr bei keiner Anstellung höher eingruppiert, was ich nicht fair und nicht korrekt empfinde. Zunächst habe ich sehr motiviert drei Jahre in Potsdam als koordinierende Praxisanleiterin und Integrationsbeauftragte gearbeitet und Auszubildende und überwiegend Ukrainer/-innen in den Pflegeberuf begleitet. Seit 08/2019 bin ich pflegefachliche Gutachterin beim Medizinischen Dienst, wo ich all meine Berufs- und Lebenserfahrungen, fachliches Wissen einbringen, aber auch selbständig arbeiten kann.

  1.   Unter welchen Voraussetzungen könntest Du Dir einen Wiedereinstieg in die Pflege vorstellen?

Ein Wiedereinstieg in die Pflege ist für mich aktuell unvorstellbar. Es müsste sich sehr vieles ändern. Zunächst die Anerkennung und der Respekt des Pflegeberufes in der Gesellschaft und beim Miteinander. Pflegende sollten gem. Ausbildungsstand verantwortungsvolle und fachliche Kompetenzen übernehmen und übergeben bekommen, es sollten flache Hierarchien herrschen mit gegenseitigem Respekt und Wertschätzung, finanzielle und planerische Anreize (Wunschdienstplan, verschiedene Arbeitszeitmodelle, flexible Beschäftigungsgrade, stufengerechte Entlohnung).

  1.   Welchen Appell hast Du an die Politik?

Verzahnung der stationären und ambulanten Pflege, um stationäre Einweisungen vorzubeugen. Eine Art "Gemeindeschwester" oder Arzthelferin mit mehr Kompetenzen und fachlichem Wissen. Regelmäßige Fort- und Weiterbildungen, zusätzliche Funktionen mit Expertenwissen (Wunden, Ernährung, Hygiene, etc.). Ausserdem, was mich und den Fachkräftemangel betrifft wünsche ich mir, dass das Gesetz bzw. die Verordnung der Anerkennung von Aus- und Weiterbildungen im Ausland dringend angepasst werden muss. Diese Hürde hat letztlich dazu geführt, dass ich in Deutschland nicht mehr als Intensivpflegefachkraft arbeite.

Das Interview führte:

Juliane Ghadjar, Kampagnenkoordinatorin #PflegeJetztBerlin

Februar 2024

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