Die Pflegeausbildung steht vor vielen Problemen – Rahmenbedingungen, Attraktivität, Verlässlichkeit, Lehrermangel, Abbrecherquote; wo stehen wir, wo wollen wir hin?

Attraktivität der Ausbildung

Gute Ausbildung braucht eine gute Praxisanleitung

Der Ausbildungsstart in der Pflege ist für alle Beteiligten während der Corona-Pandemie sehr schwierig. Die Auszubildenden und die Träger der praktischen Ausbildung haben mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen. Auch Pflegeschulen müssen ihr Lernangebot anpassen und auf digitale Lernformate umstellen. Die Praxisanleitung kommt wegen Personalengpässen zu kurz. Laut Bundespflegekammer sind seit Beginn der Pandemie die Ausbildungsabbrüche höher als in den Jahren zuvor. Gerade in der Corona-Pandemie hat sich der Fachkräftemangel in der Pflege neben Personalmangel, Überarbeitung und Unterfinanzierung noch einmal verschärft. Psychosoziale Belastungen kommen erschwerend hinzu. Die Pflegeausbildung ist herausfordernd und erfordert eine sehr frühe Verantwortungsübernahme durch die Auszubildenden. Es existiert ein Spannungsfeld zwischen den schulischen und berufspraktischen Anforderungen.

Die neue generalistische Pflegeausbildung

Die gesetzlichen Vorgaben wurden mit dem Pflegeberufegesetz (PflBG) noch einmal überarbeitet. Das Gesetz führt die Ausbildungen in der Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege und Gesundheits- und Kinderkrankenpflege in der gemeinsamen Ausbildung zur Pflegefachfrau / zum Pflegefachmann zusammen. Die neue generalistische Pflegeausbildung ist seit Anfang des Jahres 2020 in Deutschland möglich, doch die Umsetzung gestaltet sich in der Praxis immer noch schwierig. Die Überführung in das neue Gesetz macht vielen Trägern zu schaffen. Für die strukturierte Praxisanleitung sind in der dreijährigen Ausbildung aktuell 10 % der 2.500 Praxisstunden vorgesehen. Diese Vorgabe kann eine Pflegefachkraft neben ihrer eigentlichen Arbeit kaum erfüllen. Es fehlt die Zeit für eine ordentliche Praxisbegleitung. Auch die Prüfungsbegleitung kann eine eventuell teilzeitbeschäftigte Fachkraft nicht leisten. Praxisanleiter/-innen muss mehr Zeit für die Erfüllung ihrer Aufgaben gegeben werden, damit sie Arbeitsabläufe der Auszubildenden auf Grundlage des Ausbildungsplans gestalten und die Ausführung fachgerecht anleiten können. Hierzu gehören Vor- und Nachgespräche, Auswertung und Dokumentation. Aufgrund mangelnder Praxisanleitung sind Ausbildungsabbrüche in der Probezeit und im ersten Ausbildungsjahr häufig. Um realistische Vorstellungen und Erwartungen des Berufs zu vermitteln, sollten die Möglichkeiten zur Berufsorientierung und zur Praxis des Pflegealltags vor dem Ausbildungsbeginn verstärkt werden. Durch ein fachlich betreutes Praktikum mit einer anschließenden, darauf aufbauenden umfassenden Beratung vor Ausbildungsbeginn, kann ein realistischer Einblick in den Pflegeberuf gegeben werden. Deshalb wollen wir ein breites Angebot an Schülerpraktika fördern.

Gute Rahmenbedingungen für die Pflege schaffen

Gute Rahmenbedingungen in der Pflege fangen schon früh an: Hier brauchen Auszubildende verlässliche Strukturen und die Möglichkeit, ihre Ausbildung fachgerecht im Betrieb durchzuführen und Fähigkeiten zu entwickeln, die in dem späteren Berufsalltag in der Pflege eingesetzt werden können. Das bedeutet auch, dass Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen ein ausbildungssensibles Ausfallmanagement etablieren müssen, um personellen Engpässen zu begegnen. Nur so werden Ausbildungszeiten nicht durch den bestehenden Fachkräftemangel negativ beeinflusst. Darüber hinaus müssen Fachkräfte und Praxisanleiter/-innen auf die Bedürfnisse der Auszubildenden eingehen und sich Zeit für die Auszubildenden nehmen können. Hierfür muss die Anleitung ausgebaut und Beratung zu sozialen Fragen angeboten werden. Für die Praxisanleitung muss mehr Zeit eingeplant werden, sie muss dauerhaft finanziell abgesichert werden und reale Praxisanleiterkosten in den Verhandlungen der Pauschalbudgets nach § 30 PflBG und in den Vergütungsverhandlungen abgebildet werden können. Mit einer entsprechenden Vergütung und einem entsprechenden zeitlichen Rahmen kann die Praxisanleitung attraktiver gestaltet werden. Dafür setzen wir uns im Dialog mit der Pflegesenatsverwaltung ein.

Abbrecherquote in der Pflegeausbildung

Laut Statistischem Bundesamt (Stand: Juli 2021) haben 2.118 Auszubildende in Berlin zum 31. Dezember 2020 ihre Ausbildung begonnen. Allerdings liegt die Abbrecherquote in der generalistischen Pflegeausbildung in Krankenhäusern im Schnitt bei ca. 20 %. Diese variiert von Träger zu Träger und hängt davon ab, wie groß das jeweilige Krankenhaus oder die jeweilige Einrichtung und wie hoch die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze ist. Es werden unterschiedliche Gründe genannt: von fehlendem Onboarding und einer fehlenden Willkommenskultur, die zur Unzufriedenheit der Auszubildenen führt, bis zur mangelhaften Umsetzung der Praxisanleitung. Darüber hinaus wird häufig im Rahmen der Probezeit gekündigt. Auch wird die Überführung in das neue Gesetz als ein Grund genannt. Jemand, der Kinderkrankenpfleger/-in werden möchte, möchte nicht alle Bereiche der Ausbildung durchlaufen müssen. Dies führt zu einem vorzeitigen Abbruch der Ausbildung, obwohl man die Berufsausbildung in dem einem Teilbereich eventuell abgeschlossen hätte. Auch eine zu hohe Arbeitsbelastung sowie die Arbeitsbedingungen werden als Gründe genannt. Einige Abbrecher/-innen nutzen den Ausbildungsplatz auch als Übergang für einen Studienplatz.

Problem Lehrkräftemangel 

Ein großes Problem, dass die generalistische Pflegeausbildung begleitet, ist der zunehmende Lehrkräftemangel. Wegen des Lehrkräftemangels kann die von der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) geplante Erhöhung der Ausbildungszahlen um 10 % bis zum Jahr 2023 nicht erreicht werden. Es gibt nicht genügend Personal, um noch mehr Schüler/-innen zu unterrichten. Das Angebot an Lehrkräften muss deshalb gestärkt werden. Dazu müssen Pflegeschulen sich verstärkt um Lehrkräfteanwerbung bemühen. Zum anderen müssten Aufgaben auch an Honorarkräfte übertragbar sein. Die Verfügbarkeit von Fremddozenten auf dem Markt wäre dafür ausreichend. Allerdings können und dürfen Teilaufgaben der Lehrenden von dieser Berufsgruppe nicht ausgeführt werden. Eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen muss daher angestrebt werden. Daneben sollten Weiterbildungen für Lehrkräfte anerkannt werden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen und eine Anpassung der entsprechenden Verordnungen sollten eine Aufgabenübertragung möglich machen, um dem flächendeckenden Mangel an Lehrkräften entgegenzuwirken. Die Pflegeausbildung kann nur mit der qualifizierten schulischen Lehrbegleitung erfolgreich abgeschlossen werden. Die hierfür erforderlichen Rechtsanpassungen können in der begonnenen Legislaturperiode abgearbeitet werden.

Verhandlung der Pauschalen gemäß § 30 Pflegeberufegesetz (PflBG)

Die Ergänzungsvereinbarung zur Vereinbarung gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 PflBG über die Pauschalen zu den Kosten der praktischen Ausbildung wurde für den Zeitraum vom 01. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2022 vereinbart. Das Jahr 2020 war in vielerlei Hinsicht ein außerordentliches Jahr. Durch die Corona-Pandemie wurden die ambulanten Dienste, stationären Pflegeeinrichtungen sowie Krankenhäuser vor große Herausforderungen gestellt. Eine hohe Anzahl an Erkrankten, verschärfte Hygienekonzepte sowie Kontaktbeschränkungen seien hier nur beispielhaft genannt. Dennoch konnte unter großer Kraftanstrengung aller Akteure ein Ausbildungsstart zum 1. April 2020 sowie unterjährig zu weiteren Terminen in den Folgemonaten erfolgreich durchgeführt werden. Gemäß § 30 Abs. 3 PflBG waren die derzeit geltenden Pauschalen bis zum 30. April 2021 anzupassen. Die Verhandlungspartner hatten aufgrund der besonderen Situation der Corona-Pandemie gemeinsam beschlossen, die aktuell gültigen Pauschalen zu den Kosten der praktischen Ausbildung im Rahmen einer Ergänzungsvereinbarung zur Budgetvereinbarung vom 8. November 2019 auch für den Zeitraum 01. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022 zu vereinbaren. Dies war möglich, da in der Verhandlungsrunde im Jahr 2019 ein besonders gutes Verhandlungsergebnis erzielt werden konnte, welches für die Jahre 2021 und 2022 ebenfalls als auskömmlich bewertet wurde. Derzeit werden die Verhandlungen der Pauschalen gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 PflBG für die Jahre 2023 und 2024 geplant und vorbereitet.

Pflegefachassistenzgesetz

Berlin hat mit dem neu beschlossenen Pflegefachassistenzgesetz (PflFAG), das zum 01. Januar 2022 in Kraft treten und zum 01. Oktober 2022 mit der ersten Ausbildung starten soll, einen ersten Schritt in Richtung generalisierte Pflegehelferausbildung gemacht. In der stationären Langzeitpflege gibt es bis dato keine gesetzlich geregelte Pflegehelferausbildung. Im Krankenhausbereich soll die Pflegefachassistenzausbildung die bisherige Gesundheits- und Krankenpflegehilfe nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) ablösen. Neben der noch nicht hinreichenden Absicherung für die Finanzierung der Ausbildung im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), werden auch Fragen zum Einsatzbereich der ausgebildeten Pflegefachassistenzkräfte von der Praxis aufgeworfen. Zudem muss die Aufgabenverteilung zwischen Pflegefachpersonen und Assistenzkräften neu regelt werden. Für die Verhandlungen der Ausbildungsbudgets besteht damit das Risiko, dass Pflegeassistenten/-innen nicht einbezogen werden können. In der Folge könnte die Ausbildung in den Krankenhäusern oder dort vorgesehene Praxiseinsätze nicht stattfinden. Das PflFAG wird das heutige Berliner Krankenpflegehilfegesetz (BlnKPHG) ablösen. Damit werden, bei nicht vorhandener Kostenübernahme im Rahmen des PflFAG durch das KHG, ab Mitte 2022, die Träger der praktischen Ausbildung, als auch die zugelassenen Pflegeschulen für die Krankenpflegehilfeausbildung, keine Ausbildungen mehr anbieten können. Diese schwerwiegenden Bedenken haben zahlreiche Verbände gemeinsam an die Pflegesenatsverwaltung adressiert. Die Diskussionen dauern an.

Attraktivität der Ausbildung

In dieser Newsletterausgabe greifen wir aufgrund der Bedeutung für die Zukunft der Pflege noch einmal das Thema „Attraktivität der Ausbildung“ auf und stellen zwei „Gute Beispiele“ aus dem Evangelischen Waldkrankenhaus und dem Krankenhaus Bethel vor. Darüber hinaus diskutieren Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerates und Geschäftsführerin des BBG Berliner Bildungscampus für Gesundheitsberufe gGmbH und Marc Schreiner, Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft über die aktuellen Herausforderungen der Pflegeausbildung. Wir freuen uns, Ihnen zudem einen Gastbeitrag von Heike Fadeni-Biessei, Vorstand der Wannseeschulen für Gesundheitsberufe, vorstellen zu dürfen.

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