Entlastung der Pflegekräfte von Tätigkeiten durch Delegation an andere Berufsgruppen

Das Städtische Klinikum Lüneburg  ist ein Schwerpunktkrankenhaus im Nordosten von Niedersachsen. Mit 527 Planbetten versorgen wir dort mit ca. 1.600 Mitarbeitern/-innen ca. 29.500 stationäre und 58.000 ambulante Patienten/-innen im Jahr. Der Pflege- und Funktionsdienst umfasst derzeit ca. 750 Pflegekräfte.

Der Fachkräftemangel betrifft bundesweit alle Kliniken und auch wir haben offene Stellen, die sich nur sehr schwer wiederbesetzen lassen. Daher haben wir uns schon sehr früh auf den Weg gemacht und Tätigkeiten, die von den Pflegekräften durchgeführt werden, genau untersucht. Dabei konnten wir feststellen, dass es Tätigkeiten gibt, die nicht zwingend von dreijährig-examinierten Pflegekräften durchgeführt werden müssen. Diese Tätigkeiten haben wir auf andere Berufsgruppen delegiert.

Am 01. 10. 2013 haben wir das Stellen von Medikamenten durch Pharmazeutisch-Technische Assistenten/-innen (PTA) eingeführt und über alle Normalstationen ausrolliert. Nur die Kinderklinik wurde ausgenommen, da es dort zu viele Spezifikationen gibt. Zuvor wurden die Medikamente vorwiegend nachts durch Pflegekräfte für den kommenden Tag gestellt. Die Medikation musste hierfür herausgesucht, die Papierakten mussten nach den aktuellen ärztlichen Anordnungen gesichtet, die Tabletten in die Dispenser entblistert und die Infusionen gerichtet werden. Dies hat auf einer 37 Bettenstation schnell 3-4 Stunden gedauert – und dort sind die Unterbrechungen noch nicht eingerechnet. Die PTA stellen die Medikamente werktags in der Zeit zwischen 12:00 Uhr und 19:30 Uhr und am Wochenende zwischen 10:30 Uhr und 18:00 Uhr. Begonnen haben wir mit 6 PTA, die ausschließlich Tabletten in die Dispenser entblistert haben. Jetzt haben wir 8 Vollkräfte (8VK) angestellt, die für 17 Stationen in den o. g. Zeiten die Tabletten stellen, die Infusionen richten und die Bestellungen für den Apothekenbedarf der Stationen auslösen. Damit dies alles mit 8 VK gelingt, ist eine straffe Organisation und ein hoher Grad an Digitalisierung erforderlich. Seit Januar 2016 dokumentieren die Stationen ausschließlich digital. Das heißt, dass die pflegerische und ärztliche Dokumentation, von der Aufnahmedokumentation, über die ärztlichen Anordnungen bis zur pflegerischen Durchführung und Entlassung alles digital erfolgt und somit von jedem PC-Arbeitsplatz im Klinikum eingesehen und wenn nötig angepasst werden kann. Somit haben die PTA die Möglichkeit, die medikamentösen Anordnungen für alle Patienten einer Station in separaten Übersichten einzusehen und auf Änderungen zu reagieren. Damit die Dienstzeiten der PTA eingehalten werden können, war eine enge Absprache mit den ärztlichen Fachdisziplinen notwendig. Mit jeder Fachabteilung wurden verlässliche und feste Visitenzeiten und somit Anordnungszeiten besprochen. Bei Patientenaufnahmen nach 12 Uhr erfolgt eine Information von den Pflegekräften an die PTA. Ein positiver und nicht zu verachtender Nebeneffekt liegt in der deutlichen Verbesserung der Patientensicherheit und Versorgungsqualität. Durch die Unterstützung der PTA werden Fehler oder Unachtsamkeiten in der medikamentösen Anordnung aufgedeckt und behoben. In der Dienstzeit der PTA ist auch immer ein Apotheker bzw. eine Apothekerin vor Ort. Sofern der PTA aufgrund ihrer Ausbildung eine Unachtsamkeit auffällt, nimmt sie Kontakt zum Apotheker bzw. zur Apothekerin auf. Diese hält mit dem zuständigen Arzt bzw. Ärztin Rücksprache und führt eine Medikationsanpassung herbei. Dies kann Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten genauso betreffen wie Über- oder Unterdosierungen. Darüber hinausbehält die PTA die Bestellung der Medikation im Blick. Es ist nur das auf den Stationen vorrätig, was auch benötigt wird. Wenn Medikamente nicht mehr auf der Station benötigt werden, gehen diese in die Apotheke zurück. Somit wird der Verfall minimiert und Kosten gespart.

Obwohl die PTA ausschließlich Tätigkeiten durchführen, die in anderen Kliniken von Pflegefachkräften durchgeführt werden und durch den Einsatz von PTAs eine Zeitersparnis pro Station für die Pflegefachkräfte zwischen 5-6 Stunden pro Tag erreicht werden kann, werden sie derzeit nur zu einem geringen Teil von den Kostenträgern über das Pflegebudget refinanziert. Dabei liegt der Nutzen gegen den Fachkräftemangel und für die Steigerung der Patientensicherheit auf der Hand. Eine Anpassung ist aus meiner Sicht dringend notwendig, damit sich dieses gute Beispiel auch in anderen Kliniken realisieren lässt.

 

Ein weiterer Baustein in der Entlastung unserer Pflegekräfte am Städtischen Klinikum Lüneburg (SKL) ist der Einsatz von Menüassistent/-innen. Diese setzen wir seit dem 01. 01. 2014 ein. Bis dahin erfolgte die Essenserfassung täglich im Frühdienst. Die Pflegekräfte gingen zu den Patienten/-innen und befragten diese anhand eines Speiseplans, welche Speisen und Essenskomponenten sich diese zu den Mahlzeiten wünschen. Die Eintragungen erfolgten auf Papierkarten und wurden an die Küche weitergeleitet.

Seit Januar 2014 übernehmen die Menüassistenten/-innen die Befragung der Patient/-innen und dokumentieren die Wünsche in einem digitalen Menüerfassungssystem. Dieses erhält die Patientendaten über unser Krankenhausinformationssystem. Patientenverlegungen von einer Station auf die eine andere werden digital an das System weitergeleitet und der Patient erhält sein Essen auf der aktuellen Station. Die Menüassistentinnen erfragen die Wünsche der Patienten für den Folgetag am Nachmittag. Dabei greifen diese auf eine breitere Auswahl von Essenskomponenten zu als zuvor und können sogar spezifischer auf Ernährungseinschränkungen und Unverträglichkeiten reagieren. Bei der Befragung sind isolationspflichtige und kognitiv eingeschränkte Patienten/-innen ausgenommen. Hier unterstützen die Pflegekräfte die Menüassistenten/-innen. Diese Entlastung der Pflegekräfte wird jetzt schon über acht Jahre erfolgreich praktiziert, entlastet die Pflegekräfte und sorgt für mehr Zufriedenheit durch eine höhere Speisenauswahl und mehr Individualität bei den Patient/-innen.

Von Kolleginnen und Kollegen ist mir bekannt, dass einige Kliniken dieses Verfahren ebenso anwenden und noch weiterentwickelt haben. Dementsprechend werden die Menüassistenten/-innen auch bei der Verteilung der Speisen an die Patient/-innen sowie auch beim Anreichen der Nahrung eingesetzt.

Als eine refinanzierte Maßnahme im Pflegebudget setzen wir seit mehr als zehn Jahren Stationssekretäre/-innen ein. Diese sind jeder Station fest zugeordnet und unterstützen den ärztlichen und pflegerischen Dienst. Zu den vorrangigen Aufgaben gehört die Blutentnahme bei den Patienten/-innen. Da diese auch Aufschluss über den Verlauf von Blutwerten geben und für die Entlassungen der Patienten/-innen entscheidend sein können, werden die Stationssekretärinnen bei uns auch an den Wochenenden eingesetzt. Darüber hinaus fallen leider trotz fortgeschrittener Digitalisierung weiterhin Papierdokumente an. Vor allem Aufklärungs- und Einwilligungsformulare sowie mitgebrachte Krankenakten und Befunde müssen vor der Archivierung durch die Stationssekretärinnen aufgearbeitet werden. Aber auch das Anfordern von Unterlagen bei niedergelassenen Ärzten ist durch die Vorgaben der DSGVO beschwerlicher geworden. Bei der Erfüllung der Vorgaben und dennoch der zeitnahen Übersendung dieser wichtigen Unterlagen, unterstützen die Stationssekretärinnen. Aber auch Materialbestellung oder Krankentransporte werden durch die Stationssekretärinnen erfüllt. Derzeit sind gut 16 VK für 20 Stationen eingesetzt. Die Stationssekretärinnen vertreten sich gegenseitig, sodass auch im Urlaubs- und Krankheitsfall ausreichend Kolleginnen zur Verfügung stehen, um die Pflegekräfte bei der Versorgung der Patienten/-innen zu unterstützen.

 

Bei Fragen zu den beschriebenen Projekten steht Ihnen der Verfasser Patrick Evel, stellv. Pflegedirektor im Städtischen Klinikum Lüneburg gerne unter patrick.evel@klinikum-lueneburg.de zur Verfügung.

Bildrechte: Städtisches Klinikum Lüneburg gemeinnützige GmbH

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