Wie Pflegeschulen und Ausbildungsstätten der hohen Fluktuation in der Ausbildung entgegenwirken können

Zustand der neuen generalistischen Pflegeausbildung - aus der Sicht einer Pflegeschule

Mit vielen guten Ideen und Vorsätzen startete im April 2020 die neue, generalistische Pflegeausbildung. Eine Kehrtwende in Bezug auf den enormen Pflegenotstand sollte her! Wo stehen wir jetzt – 1,5 Jahre später? Der Start der neuen Ausbildung stand bereits unter keinem guten Stern. Kurz vor dem Beginn wurde über eine Verschiebung des Ausbildungsstarts diskutiert - Corona sei Dank! Es folgte ein Hin und Her und einige Träger der praktischen Ausbildung entschlossen sich, zunächst nicht auszubilden. Mittlerweile haben wir bundesweit 190.000 Auszubildende in der Pflege und die Abbrecherquote liegt bei 28 %. Der größte Teil dieser Abbrüche erfolgt bereits im ersten Ausbildungsjahr. Es geht nicht darum, dass die Akteure nun gegenseitig mit dem Finger aufeinander zeigen und einen Schuldigen ausmachen. Die Gründe für die Abbrüche sind sehr vielfältig, aber aus unserer Sicht zum Teil vermeidbar!

Gründe für die hohen Abbrecherzahlen

Das neue Gesetz, die neuen Strukturen und natürlich nicht zuletzt die Corona-Pandemie führten zu einem stark beanspruchten System, was schnell in einer Überforderung der Auszubildenden mündete – vor dem Hintergrund einer ohnehin schon anspruchsvollen Ausbildung! Dazu kommt, dass die neue Schüler/-innen-Generation eine veränderte Anspruchshaltung und Lernhaltung in allen Kompetenzbereichen zeigt. Viele Auszubildende haben eine nicht realistische Vorstellung vom Pflegeberuf. Aus diesem Grund fordern wir vehement ein mindestens zweiwöchiges Pflegepraktikum im Vorfeld der Ausbildung! Auszubildende werden leider in der Praxis nach wie vor häufig als bereits fertige Pflegefachpersonen betrachtet und das zeigt sich in der Sprache und im direkten Stationsalltag wieder. Dies führt schnell zu einer fachlichen und emotionalen Überforderung. Verstärkt wird dieses Problem durch eine oftmals unzureichende Praxisanleitung. Etliche Träger haben nach wie vor nicht die Möglichkeiten, die gesetzlich vorgegebenen Quoten der Praxisanleitung einzuhalten und umzusetzen. Ein weiterer Punkt liegt unserer Meinung nach im oft unzureichenden Bewerbermanagement und einer nicht ausreichenden Willkommenskultur in den Einrichtungen. Dabei ist die Begrüßung in der Einrichtung elementar und sollte nicht nur am ersten Ausbildungstag erfolgen! Die Einrichtungen müssen dabei unterstützt werden, wechselseitig voneinander zu lernen! Die Wichtigkeit von Ausbildung muss fest in der Organisationsentwicklung verankert werden! Hier sind die Leitungen der Einrichtungen massiv gefordert. Die Träger der praktischen Ausbildung müssen sich fragen: Wo ist Ausbildung im eigenen Unternehmen verankert? Ist der Schwerpunkt im Leitbild festgeschrieben, wie ausführlich ist das Ausbildungskonzept?

 

Was können die Pflegeschulen tun?

Wir tun es bereits - alle Pflegeschulen müssen ihre Unterstützungsangebote, z.B. durch den Ausbau von Lernberatung und Lernbegleitung deutlich erweitern. Diese dringend notwendigen Angebote müssen allerdings auch finanziert werden. Hier sind die Kostenträger gefordert! Die Pflegeschulen können zudem bei der Beratung und Vernetzung der Praxisanleitenden einen wichtigen Beitrag leisten. In den Wannseeschulen finden dreimal jährlich Reflexionstage für Praxisanleitende aus unserem Verbund statt. In diesem Rahmen werden auch Best Practice Beispiele ausgetauscht, um das Lernen von guten Ideen und Lösungen zu fördern. Die Lernorte müssen sich noch stärker vernetzen! Was spricht beispielsweise dagegen, Akteure der Schulen in die Leitungsrunden der Einrichtungen einzuladen, wenn über Ausbildung gesprochen wird?

Pflegefachassistenzausbildung

Die nächste Herausforderung steht bereits bevor! Die Umsetzung und Ausgestaltung der neuen Pflegefachassistenzausbildung. Natürlich ist es zu begrüßen, dass ein generalistisch angelegter Assistenzberuf in der Pflege geschaffen wird. Dass Einwände und Ratschläge der vielen Akteure von Seiten der Politik im Vorfeld so wenig Gehör fanden, ist jedoch zu bedauern. Wieder einmal wurde ein Schritt vor dem anderen gemacht. Das neue Gesetz zu verabschieden, ohne dass es eine gesicherte Finanzierung für die Krankenhäuser gibt, ist unverantwortlich. Zumal die bisherige Gesundheits- und Krankenpflegehilfeausbildung im Frühjahr 2022 ein letztes Mal angeboten werden darf. Hier muss dringend eine kurzfristige Lösung her und wir fordern die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung auf, zügig zu handeln!

Lehrkräftesicherung

Schon lange vor der Einführung des Pflegeberufegesetzes haben alle Akteure auf die Notwendigkeit von zusätzlichen, qualifizierten Lehrkräften hingewiesen. Aus unserer Sicht ist es jedoch der falsche Weg, das Schüler-Lehrer-Verhältnis aufgrund eines vorhandenen Lehrermangels niedrig zu halten. Hier sollte zwingend an der Zielgröße 1:15, die für eine qualitativ hochwertige Ausbildung unumgänglich ist, festgehalten werden! An der Evangelischen Hochschule Berlin beispielsweise befindet sich der Masterstudiengang „Gesundheit/Pflege – Berufspädagogik“ aktuell im Erst-Akkreditierungsverfahren. Hier wurde endlich gehandelt und ein Studiengang geschaffen, der zur Deckung des Lehrer/-innenmangels in Gesundheitsfachschulen im Land Berlin beitragen kann.

Hoher bürokratischer Aufwand im Bereich des Pflegeausbildungsfonds

Wir führen vermehrt Gespräche mit Einrichtungen, die gerne ausbilden möchten, jedoch den hohen bürokratischen Aufwand scheuen, der durch die Nachweispflichten im Rahmen des Pflegeausbildungsfonds entsteht. Die Pflegeausbildungsfinanzierungsverordnung (PflAFinV) muss dringend konkretisiert werden, so dass die Pflegeschulen Planungssicherheit zurückerlangen. Für alle Akteure müssen zudem die hohen bürokratischen Hürden abgebaut werden!

Wichtig ist, dass wir uns alle der gemeinsamen Verantwortung bewusst werden und endlich auf allen Ebenen gehandelt wird!

 

Heike Fadeni-Biessei, Vorstand Wannseeschulen und Beiratsmitglied der Kampagne „PflegeJetztBerlin“

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