Umsetzung Akademisierung Vivantes Klinikum Neukölln

Stand der akademisierten Pflege in Deutschland

Für Deutschland zeigt sich eine kontinuierliche Steigerung der Ausbildungszahlen in den Pflegefachberufen; Studierendenzahlen steigen in der Pflege dafür nur wenig. Nach Auswertung des Statistischen Bundesamts nahmen im Jahr 2021 ca. 61.000 Personen eine Ausbildung zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann nach dem PflBG auf und es zeigte sich damit eine Steigerung um 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Akademisierungsquote betrug im Jahr 2020 rund 1,7 Prozent für Studierende in berufsqualifizierenden Studiengängen, bezogen auf die Gesamtzahl der Auszubildenden bzw. 0,78 Prozent bei primärqualifizierend Studierenden. 2021 lagen die Zahlen dann bei 1,75 Prozent bzw. 0,82, d. h. eine marginale Steigerung, was außerdem hervorhebt, dass die vom Wissenschaftsrat empfohlene Akademisierungsquote in der Ausbildung von 10 bis 20 Prozent noch nicht erreicht wurde.

Es besteht ein großer Bedarf an akademisierten Pflegekräften in allen Tätigkeitsbereichen, die wissenschaftlich arbeiten können und dieses in ihr Handeln mit einbinden, denn der heutige Pflegealltag wäre ohne Einführung aktueller Standards, evidenzbasierter Prinzipien sowie umfassender Forschung kaum noch zu bewältigen. Komplexe Pflegesituationen können durch hochqualifiziertes Pflegepersonal besser gesteuert werden, indem sie die Pflegeprobleme anhand passender Assessmentinstrumente schneller erkennen.

Die Integration von akademisierter Pflege in das deutsche Gesundheitssystem hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Advanced Practice Nursing ist ein internationales Konzept, das die Rolle von Pflegefachpersonen erweitert und ihnen die Möglichkeit gibt, erweiterte klinische Kompetenzen zu erwerben. Es ermöglicht Pflegefachpersonen ihre Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zu erweitern, um eine höhere Qualität der Versorgung für Patienten/-innen zu gewährleisten.

Es ist insbesondere wichtig, mit Blick auf die Akademisierung in der Pflege in Deutschland, auch die Ausbildung von APNs/ Pflegeexperten/-innen zu fördern und als Klinik zu unterstützen. Hierbei sollten sowohl die akademische Ausbildung als auch die klinische Praxis betont werden.

 

Umsetzung im Vivantes Klinikum Neukölln

Im Klinikum Neukölln findet seit 2021 die Einbindung akademisierter Pflegefachpersonen statt, um eine professionelle Weiterentwicklung in der Pflege zu fördern, sowie eine hohe Versorgungsqualität zu gewährleisten. Beginnend mit einer Pflegefachexpertin mit dem Schwerpunkt Onkologie wurde das Team um weitere fünf Kollegen/-innen erweitert. Die Qualifikationen der Pflegeexperten/-innen sind dabei unterschiedlich, auch Pflegestudierende arbeiten im Sinne der professionellen Weiterentwicklung unter Supervision im Pflegeexperten/-innen-Team. Alle Kollegen/-innen haben durch ihre beruflichen praktischen Erfahrungen sowie entsprechende Fachweiterbildungen einen Schwerpunkt in einem besonderen Bereich oder für ein übergeordnetes Pflegephänomen (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Advanced Practice Nursing als pflegerisches Praxiskonzept (Grafik Robert Bauer)

Um eine enge Verzahnung und Austausch mit der Praxis und den Stationen zu gewährleisten sind die Pflegexperten/-innen neben ihrer primären Aufgabe mit einem festgelegten Stundenanteil regulär in der Patienten/-innenversorgung beschäftigt. Diese Aufteilung ermöglicht eine zuverlässige Freistellung für die Tätigkeit als Pflegeexperten/-innen.

 

Zwei Beispiele aus der Praxis

 

Schwerpunkt Delirmanagement

Das Delir stellt eine der häufigsten Komplikationen bei älteren Patienten/-innen im Krankenhaus dar und kann mit schwerwiegenden Folgen einhergehen. Der Umgang mit Patienten/-innen mit Delir ist für Behandlungsteams oft eine große Herausforderung. Die frühzeitige Erkennung und die Umsetzung zielgerichteter Maßnahmen ist essenziell. In Kooperation mit anderen Vivantes Kliniken wurde eine SOP zum präventiven Delirmanagement mit einem begleitenden Handbuch erstellt. Aktuell erfolgt durch die APN die Implementierung eines Delirscreeningsinstruments im somatischen Pflegebereich sowie berufsgruppenübergreifend Schulungen zur Prävention und Therapie. Im Vordergrund steht die nachhaltige Delirprävention und die interprofessionelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit zur Verbesserung der individuellen Patienten/-innenversorgung.

 

Schwerpunkt Palliativpflege und Schmerzmanagement

Das Klinikum Neukölln hat eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe Schmerz implementiert, in welcher sich Mitarbeiter/-innen aus unterschiedlichen Fachbereichen einmal im Monat treffen, um anlehnend an evidenzbasierte Leitlinien und Standards, geeignete Konzepte zu entwickeln, die den Umgang mit Schmerzpatienten/-innen und ihren Angehörigen positiv beeinflussen und dadurch das Schmerzmanagement im gesamten Klinikum fördern.

Es gibt eine vivantes-standortübergreifende Expertengruppe Onkologie und Palliativpflege, die geeignete Konzepte zu verschiedenen Pflegephänomen oder SOP’s für bestimmte Fachbereiche entwickeln und diese implementieren. Aktuell wird ein Palliativkonzept im Team erarbeitet. Gleichzeitig finden klinikbezogen Aromapflegeschulungen für Normal- und Intensivstationen statt, da im Vorjahr ein Handbuch für Aromapflege entwickelt wurde und die Aromapflege nicht nur im palliativen Setting Besonderheit findet, sondern als eine zusätzliche, nicht- medikamentöse Intervention für alle Patienten/-innen in der Klinik angeboten werden sollte. Auch in den Bereichen Psychiatrie und Pädiatrie wird nach einem geeigneten Konzept geforscht.

Ausblick

Das Advanced Practice Nursing Konzept des Vivantes Klinikum Neukölln bietet akademisierten Pflegefachpersonen die Möglichkeit einer erweiterten pflegepraktischen Expertise in verschiedenen Handlungsfeldern der Pflege. Im Unterschied zu internationalen APN Konzepten wird, angepasst an die Akademisierungsrate in Deutschland, auch im Studium befindlichen examinierten Pflegefachpersonen die Chance zur professionellen Weiterentwicklung gegeben. Nach erfolgreichem Beginn findet schrittweise einer Erweiterung auf weitere Handlungsfelder statt, um die Patienten/-innenversorgung in allen Bereichen nachhaltig zu verbessern.

Autoren/-innen und Ansprechpersonen:

Birsen Demirsöz, B. Sc. und Lilly Koppelkamm, B. Sc.

Artikel- und Bildrechte:

Vivantes - Netzwerk für Gesundheit GmbH, Klinikum Neukölln, Rudower Straße 48, 12351 Berlin

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