Gute Beispiele - Gute Pflege: Alexianer St. Joseph Berlin-Weißensee

Praxisanleitung von Pflegestudierenden: Eine Bestandsaufnahme

Professionelle Pflege bedeutet, dass Pflegehandlungen begründ- und belegbar sein müssen. Ein Verband wird nicht angelegt, weil er gut passt oder weil das Bauchgefühl sagt, dass dieser wirksam sein könnte. Eine Pflegefachperson wählt eine Wundauflage, weil sie weiß, dass die Wirkung wissenschaftlich nachgewiesen ist. Um solche Erkenntnisse zu gewinnen, braucht es Pflegeforschungsarbeit, wie sie an Hochschulen stattfindet und gelehrt wird. So konnte eine Studie von Linda Aiken, einer amerikanischen Pflegewissenschaftlerin, exemplarisch die Wirksamkeit des Einsatzes akademisch ausgebildeter Pflegefachpersonen in der Praxis nachweisen (Aiken et al., 2014).

Schaut man sich das Feld der Psychiatrie an, so ist festzustellen, dass Pflegeexperten im Sinne einer erweiterten Pflegepraxis (Advanced Nursing Practice) hierzulande noch eine große Ausnahme in der psychiatrischen Versorgungslandschaft darstellen (Genge, Thissen & Schulz, 2013). Gerade aus diesem Grund ist die Integration akademisch ausgebildeter Pflegefachpersonen in diesem Fachgebiet als notwendig anzusehen, obwohl bislang entsprechende Interventionsstudien fehlen (Scheydt & Holzke, 2018).

Die Bedeutung wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Pflegepraxis wird politisch und gesellschaftlich allerdings weitgehend unterschätzt. Das macht sich in den schlechten Voraussetzungen und Rahmenbedingungen der Pflegestudiengänge bemerkbar (Taskforce Pflege Bachelor, 2023).

Das Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin Weißensee hat eine Kooperation mit der Alice-Salomon-Hochschule (ASH) etabliert, um Studierenden Praktikumsplätze zur Verfügung zu stellen. Eine Vergütung der Studierenden ist dabei gesetzlich nicht vorgesehen. Auch die Praxisanleitung ist nicht refinanziert. Aufgrund dieser Sachlage verzeichnet die ASH einen starken Rückgang der Studierendenzahlen. Dies hat zur Folge, dass kaum Studierende in der klinischen Praxis ankommen und sichtbar sind.

Potenzial Skill- und Grade-Mix

Der wünschenswerte Qualifikationsmix in der Pflege, wie er in europäischen Nachbarländern praktiziert wird, besitzt erhebliches Potenzial, das in Deutschland bislang vielfach ungenutzt ist. Die Alexianer haben dies lange erkannt und ein Kompetenzstufenmodell aufgelegt, das genau hier ansetzt.

Innerhalb dieses Kompetenzstufenmodells ist klar beschrieben, wie der Skill- und Grade-Mix mit Leben gefüllt werden kann: Pflegefachpersonen, Pflegefachassistenten/-innen und akademisierte Pflegefachpersonen arbeiten gemeinsam. Sie ergänzen sich mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen bei der Bewältigung ihrer Aufgaben. Hierbei sind die Verantwortlichkeiten klar definiert.

Ein wesentlicher Aspekt dieses Modells ist es, dass Auszubildende und Studierende im Pflegeprozess von- und miteinander lernen. Dies ist in Pflegepraxis in Deutschland leider kaum zu beobachten.

Zukunftsaufgabe Praxisanleitung

Das Alexianer St. Joseph-Krankenhaus beschäftigt akademisierte Pflegefachpersonen hauptsächlich im Management, in der Pflegeentwicklung, im Qualitätsmanagement sowie in der Praxisanleitung. In der direkten Patientenversorgung sind Pflegende mit Bachelorabschluss zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings kaum tätig.

Das Alexianer St. Joseph-Krankenhaus stellt sich dieser wichtigen Zukunftsaufgabe. Akademisch und beruflich ausgebildete Praxisanleitende ergänzen sich in der Betreuung von Auszubildenden der Generalistik und der Pflegestudierenden.

Aus Praxissicht sollten Auszubildende durch akademisierte Praxisanleitende an die beruflichen Aufgaben herangeführt werden und pflegerische Handlungskompetenzen erlangen. Dies trifft genauso für Studierende zu, wobei hier die erweiterten hochschulischen Ausbildungsziele (PflBG §37) und damit die Orientierung an wissenschaftlichen Theorien und Methoden berücksichtigt werden müssen.

Die Erreichung der akademischen Kompetenzen, die im Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) auf der Niveaustufe sechs gefordert sind, müssen auch in den Praxisphasen vermittelt werden. Dies umfasst, neben pflegepraktischen Kompetenzen, eben auch ein vertiefendes wissenschaftsbezogenes Verständnis und kann eine Herausforderung für die Praxisanleitenden darstellen. Hierzu müssen unterschiedliche Lernvoraussetzungen berücksichtigt und Anleitungen methodisch an die jeweiligen Ausbildungsziele angepasst werden.

Aufgrund zunehmender Verantwortung im Bereich der Praxisanleitung von Auszubildenden und Studierender ergibt sich immer mehr die Notwendigkeit einer akademischen Qualifizierung für Praxisanleitende. So wie die theoretische Ausbildung akademisch qualifizierter Pflegepädagogen erbracht wird, sollte die Praxisanleitung, die zunehmend als Praxisausbildung bezeichnet werden kann, auch von akademisch qualifizierten Praxisanleitenden durchgeführt werden.

Wichtig hierbei ist, dass wissenschaftliches Wissen durch Praxiserfahrung, Motivation und die Akzeptanz verschiedener Berufsabschlüsse ergänzt wird. Auf diese Weise können Praxisanleitende als Rollenvorbild dienen und zeigen, wie Akademisierung in der direkten Patientenversorgung umgesetzt wird. Denn letztendlich hängt die Versorgungsqualität auch von der Qualifikation und Motivation der professionellen Pflege ab.

Autoren und Ansprechpartner:

Bettina Gärtner – Zentralle Praxisanleiterin

Jacob Helbeck – Stabsstelle für Pflegeentwicklung

Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee

Artikelrechte:

Alexianer St. Joseph Berlin-Weißensee GmbH, Gartenstraße 11, 3088Berlin

 

Literatur:

Aiken, L. H., Sloane, D. M., Bruyneel, L., van den Heede, K., Griffiths, P., Busse, R. et al. (2014). Nurse staffing and education and hospital mortality in nine European countries: a retrospective observational study. The Lancet 383 (9931), S. 1824–1830.

Bund - Länder - Koordinierungsstelle für den Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR, 2013): Handbuch zum Deutschen Qualifikationsrahmen:Struktur-Zuordnungen-Verfahren-Zuständigkeiten, 2013 https://www.dqr.de/media/content/DQR_Handbuch_01_08_2013.pdf

Genge, U., Thissen, K., Schulz, M. (2013). Pflegeexperten in der Psychiatrie. Psych Pflege 19 (05), S. 247 - 253.

O.V. (2023). Vierter offener Brief von Pflegestudierenden. Taskforce Pflege Bachelor (Hrsg.). Gefunden unter Vierter Offener Brief von Pflegestudierenden | ASH Berlin (ash-berlin.eu)

Pflegeberufegesetz (PflBG) vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581), das zuletzt durch Artikel 9a des Gesetzes vom 11. Juli 2021 (BGBl. I S. 2754) geändert worden ist" http://www.gesetze-im-internet.de/pflbg/PflBG.pdf

Scheydt, S. & Holzke, H. (2018). Erweiterte psychiatrische Pflegepraxis. Entwicklung und Diskussion eines heuristischen Rahmenmodells der pflegerischen Expertise in

der Psychiatrie. Pflegewissenschaft 18 (20), S. 146 – 154.

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