Betriebliches Gesundheitsmanagement – Warum es so wichtig ist und wie Einrichtungen davon profitieren können

Die Gesundheit ist etwas Abstraktes. Für die Darstellung von Gesundheit kann eine Balkenwaage mit zwei Waagschalen dienen. In der linken Waagschale liegen die menschlichen (Gesundheits-) Ressourcen (z. B. Fitness) und in der rechten Waagschale liegen die Stressoren (z. B. psychische oder körperliche Belastung). Im Laufe eines Lebens bewegt sich diese „Gesundheitswaage“ ständig von links nach rechts und umgekehrt. Gemäß der Definition für Gesundheit von der Weltgesundheitsorganisation müsste der Schwerpunkt der Gesundheitswaage die ganze Lebenszeit über auf der linken Seite liegen. Dies impliziert jedoch einen praktisch unerreichbaren bzw. utopischen Zustand. Die eigentliche Frage ist also: Was hält die Menschen trotz der Stressoren der rechten Waagschale gesund?

Gerade die Corona-Pandemie hat deutlich aufgezeigt, wie schnell sich die Gesundheitswaage nach rechts verschieben kann. Die Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen geben bis heute Höchstleistungen, um die Gesundheitswaage der von dem Coronavirus betroffenen Patienten wieder von rechts nach links zu verschieben. Sie leisten dabei Enormes und setzen sich einem erheblichen Ansteckungsrisiko aus. Dabei bleibt jedoch weder die Zeit noch die Kraft, die eigene Gesundheitswaage im Auge zu behalten. Vor diesem Hintergrund und dem bekannten demographischen Wandel sowie des zunehmenden Fach- und Führungskräftemangels ist die Gesundheit der Mitarbeiter Führungsaufgabe geworden.

Die Arbeitsbedingungen und Anforderungen an die Beschäftigten unterliegen gerade in der heutigen Zeit stetigen Veränderungen. Das Krankheitsbild der Mitarbeiter weist neben den chronisch-degenerativen Krankheiten auch eine Zunahme an psychischen Erkrankungen auf. Volkswirtschaftlich kann die Gesundheit als Humankapital betrachtet werden, das erheblichen Einfluss auf die Produktivität eines Menschen hat und damit auch auf den Unternehmenserfolg. Daher ist es für die Unternehmen effizient, ein betriebliches Gesundheitsmanagement zu implementieren, das die Gesundheit ihrer Mitarbeiter fördert, dadurch Fehlzeiten vermeidet und die Produktivität stärkt.

Doch was genau ist ein betriebliches Gesundheitsmanagement?

Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) umfasst alle Tätigkeiten des Managements, die das Ziel verfolgen, durch Planung, Organisation, Durchführung und Überprüfung von Maßnahmen und Programmen der Gesundheitsförderung und des Arbeitsschutzes eine betriebliche Gesundheitspolitik zu etablieren. BGM wird in das Leitbild und die Unternehmenskultur sowie in die Strukturen und Prozesse jedes Unternehmensbereiches eingegliedert. Damit geht es deutlich über die reine Krankheitsprävention hinaus. Die Begriffe betriebliche Gesundheitsförderung und betriebliches Gesundheitsmanagement werden häufig bedeutungsgleich verwendet. Der wesentliche Unterschied ist jedoch, dass beim BGM eine ressourcenorientierte und nachhaltige Gestaltung sowie Evaluation der gesundheitsfördernden Maßnahmen erfolgt, um die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter zu verbessern. BGM gliedert sich in drei Prinzipien, die auch die psychische Belastung miteinschließen:

  1. Ganzheitlichkeit: BGM umfasst den Arbeits- und Gesundheitsschutz, die betriebliche Gesundheitsförderung, das betriebliche Eingliederungsmanagement, das Fehlzeitenmanagement und die Suchtprävention.
  2. Partizipation: Alle Mitarbeiter werden von der Analyse bis hin zur Implementierung von Maßnahmen in das BGM mit eingebunden.
  3. Integration: BGM wird in alle betrieblichen Bereiche wie Organisations- und Personalentwicklung integriert, um vorhandene Synergien zu nutzen.

Was ist die betriebliche Gesundheitsförderung genau?

Die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) ist ein Bestandteil eines ganzheitlichen betrieblichen Gesundheitsmanagements. Ziel der betrieblichen Gesundheitsförderung ist es, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter durch eine vorteilhafte Gestaltung der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsplatzes, die Förderung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligung und die Stärkung persönlicher Kompetenzen zu optimieren. Das Gesundheitsreformgesetz von 1989 (§ 20 SGB V) schloss die BGF als ergänzende Maßnahme zum Arbeitsschutz in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung ein. Anders als die Prävention, die dem pathogenetischen Konzept folgt, geht es bei der BGF um das salutogenetische Konzept. Die Verhältnis- und Verhaltensprävention sind Maßnahmen der BGF, um Krankheiten zu vermeiden. Die Verhältnisprävention umfasst Maßnahmen zur Gestaltung der Umwelt des Beschäftigten (z. B. Arbeitsbedingungen), während sich die Verhaltensprävention auf das Verhalten des Beschäftigten (z. B. Ernährung) bezieht. Die BGF umfasst sowohl die Krankheitsvermeidung als auch die Stärkung und Förderung der vorhandenen Gesundheitsressourcen.

Wieso sollte eine Einrichtung ein betriebliches Gesundheitsmanagement implementieren?

Die Beweggründe für ein BGM lassen sich in externe und interne Motivatoren unterscheiden. Die externen Motivatoren bestehen aus dem strukturellen, dem demographischen und dem gesellschaftlichen Wandel, der die Unternehmen vor Herausforderungen stellt. Die Verschiebung des Anteils der Erwerbstätigen vom primären Sektor (Land- und Forstwirtschaft) über den sekundären Sektor (produzierendes Gewerbe) hin zum tertiären Sektor (Dienstleistungen) wird als struktureller Wandel in der deutschen Wirtschaft bezeichnet. Dieser Wandel führte zu einer Veränderung der Arbeitsbedingungen weg von schwerer körperlicher Arbeit hin zu intellektuellen Anforderungen und einer Nachfrage nach entsprechenden Fach- und Führungskräften. Durch das 1996 in Kraft getretene Arbeitsschutzgesetz sind die Unternehmen zusätzlich durch den Staat verpflichtet, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz ihrer Beschäftigten Sorge zu tragen. Des Weiteren unterliegt die Bevölkerung einem Wandel der Altersstruktur, dem demographischen Wandel. Dieser wird durch die Fertilitätsrate, die gestiegene Lebenserwartung und dem Wanderungssaldo beeinflusst. In Deutschland ist eine Abnahme der Geburtenraten und durch den technischen Fortschritt eine Zunahme der Lebenserwartung zu verzeichnen. Diese Entwicklung wird als doppelter Alterungsprozess bezeichnet. Die Zuwanderung kann die abnehmende Entwicklung der Bevölkerungszahl nicht ausgleichen. Das Durchschnittsalter wird ansteigen, was unabwendbar dazu führt, dass sich auch das Renteneintrittsalter erhöht. Der demographische Wandel führt zu einer Alterung der Bevölkerung und in Bezug auf die Unternehmen zu einer alternden Belegschaft. Neue qualifizierte Fach- und Führungskräfte werden zu einem knappen Faktor, wodurch die Unternehmen gedrängt werden, ihre humanen Ressourcen gesundheitlich zu fördern, um die Leistungsfähigkeit ihres Personals zu erhalten. Die rapide Entwicklung von Wissenschaft und Technologie führt zudem zu einer fortschreitenden Globalisierung, die die Beschaffungs- und Absatzmärkte zunehmend international öffnet, in dessen Konsequenz sich der Konkurrenzkampf für die Unternehmen verstärkt. Die technologische Entwicklung führt des Weiteren zu einer ständigen Erreichbarkeit. In der heutigen Zeit sind Führungskräfte beinahe rund um die Uhr zu erreichen, selbst im Urlaub. Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben wird dadurch immer schwieriger. Dieser gesellschaftliche Wandel führt demzufolge zu der Notwendigkeit einer Work-Life-Balance, um die Gefahren eines Burnouts aufgrund zu geringer Erholungszeiten zu vermeiden.

Die vier internen Motivatoren sind das humanitäre Motiv, das Wettbewerbsmotiv, das Fachkräftemotiv und das Kostenmotiv. Durch diese Motivatoren entsteht für die Unternehmen ein Antrieb, das BGM zu implementieren. Zum einen besitzt die Unternehmensführung eine soziale Verantwortung gegenüber dem Personal und zum anderen wird durch die Gesundheitsförderung die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter erhalten, wodurch das Unternehmen produktiv und wettbewerbsfähig bleibt. Aufgrund des bestehenden Fachkräftemangels steigert das BGM zudem die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber und führt gleichzeitig dazu, qualifizierte Fachkräfte an das Unternehmen zu binden. Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Kosten. Allein der volkswirtschaftliche Produktionsausfall im Jahr 2019 von insgesamt 712,2 Millionen Arbeitsunfähigkeitstagen (17,3 Tage je Erwerbstätigen), belief sich auf 88 Milliarden Euro. Unternehmen sollten daher eine Reduktion der durch Fehlzeiten entstehenden Kosten anstreben.

Wie erfolgt die Implementierung eines BGM?

Die Implementierung von einem BGM erfordert die Zusammenarbeit von verschiedenen internen und externen Akteuren. Um den langfristigen Lern- und Entwicklungsprozess optimal und effektiv zu gestalten, erfolgt die Implementierung in vielen Unternehmen in Projektform. Bei der Einführung eines BGM ist ein systematisches und planvolles Vorgehen anzuvisieren, das sich in folgende sechs Schritte untergliedert:

Schritt 1: Strategische Zielsetzung

Zu Beginn sollte sich das Unternehmen die Frage stellen: Wieso soll ein BGM eingeführt werden und welche Ziele werden damit verfolgt? Sind die Ziele einmal klar definiert, können Strategien entwickelt werden, um die Ziele zu erreichen. Die nachfolgende Tabelle zeigt auf, dass sich die Ziele eines BGM in harte und weiche Kriterien charakterisieren lassen.

Die ganzheitliche Strategie des BGM lässt sich in die präventive und die korrektive Strategie unterteilen. Die präventive Strategie zielt auf die Mitarbeiter im Unternehmen ab, die gesund, motiviert und leistungsbereit sind. Ziel ist es, die Gesundheit dieser Mitarbeiter durch Prävention und Gesundheitsschutz zu erhalten, da sie den Erfolg des Unternehmens sichern. Die korrektive Strategie hingegen spricht die Mitarbeiter an, die bereits krank, demotiviert und nicht leistungsbereit sind. Diese Mitarbeiter sollen mit Hilfe des Betrieblichen Eingliederungsmanagements und des Fehlzeitenmanagements unterstützt werden, damit sie ihre volle Leistungsfähigkeit zurückerhalten.

Schritt 2: Schaffung von Strukturen

Grundsätzlich ist das BGM nur erfolgreich, wenn eine ausreichende Investitionsbereitschaft der Unternehmensspitze vorliegt. Diese muss alle notwendigen Ressourcen von finanziellen Mitteln über Personal bis hin zur Infrastruktur bereitstellen. Zur Fixierung des BGM ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zwischen der Unternehmensspitze und dem Betriebs- bzw. Personalrat wichtig. Die Betriebsvereinbarung legt die grundlegenden Ziele und das Procedere fest. In einem weiteren wichtigen Schritt ist zu klären, wer die Verantwortung trägt. Hierfür ist ein Steuerungsgremium einzurichten. Das kann durch einen Arbeitskreis Gesundheit oder in Form eines Ausschusses für Gesundheitsmanagement (AGM) geschehen. Die personelle Besetzung des Steuerungsgremiums hängt von der Größe des Unternehmens und von den betrieblichen Konditionen ab. Der AGM setzt sich aus dem Unternehmer (bzw. einem Mitglied der Unternehmensführung), einem Mitglied des Personalrates und der Personalabteilung, dem Betriebsarzt, einem Vertreter der Mitarbeiter, dem Gesundheitskoordinator (bzw. Gesundheitsexperten) und der Fachkraft für Arbeitssicherheit zusammen. Aus dem AGM wird ein Beauftragter bzw. Verantwortlicher für das BGM bestimmt, der Gesundheitskoordinator. Die Aufgaben des AGM umfassen die Überwachung der Aktivitäten und Maßnahmen des BGM, die Berichterstattung und die Beratung des Top-Managements über den Gesundheitszustand der Mitarbeiter sowie künftige Probleme und Handlungsbedarfe. Außerdem sind alle Mitarbeiter zu informieren, zu beteiligen und andere Arbeitsbereiche und –gruppen einzubeziehen.

Schritt 3: Ist-Analyse

Die Ist-Analyse dient dazu, den Status-quo des Unternehmens zu ermitteln sowie die Stärken und Schwächen des Unternehmens ausfindig zu machen. Hierfür gibt es verschiedene Analyseverfahren, die objektiv, subjektiv und quantitativ bzw. qualitativ sein können. Für jede der vier Analyseverfahren gibt es auch mehrere Analyseinstrumente. Für eine möglichst aussagekräftige Ist-Analyse ist es sinnvoll, mehrere Analyseinstrumente miteinander zu kombinieren. Die nachfolgende Tabelle veranschaulicht die Analyseinstrumente, die sich in der Praxis bewährt haben.

Der Gesundheitszirkel ist ein Mitarbeiterworkshop, in dem Probleme gezielt angesprochen und Lösungsideen gesucht werden. Weitere Analysemöglichkeiten sind die Altersstruktur- und Arbeitsplatzanalysen sowie die Auswertung von Unfallstatistiken. Die Ist-Analyse kann im gesamten Unternehmen oder anfänglich nur in vereinzelten Bereichen durchgeführt werden. Wichtig ist die Benennung der Zielgruppe vor dem Beginn der Analyse. In diesem Schritt erfolgt der Vergleich der gegebenen Strukturen mit der Zielsetzung. Ohne die Ist-Analyse kann der Grad der Zielerreichung nicht kontrolliert werden, daher ist sie unerlässlich.

Schritt 4: Operative Zielsetzung

Nach der Ist-Analyse werden die Problemfelder bzw. der Handlungsbedarf in den unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens durch das Steuerungsgremium ermittelt. In dieser Phase müssen Feinziele bestimmt werden, die mit den Aktivitäten bzw. gesundheitsfördernden Maßnahmen erreicht werden sollen. Am Ende steht ein detaillierter Plan, welche Zielgruppen angesprochen werden, wer die Verantwortung trägt, welche Arbeitskräfte für wie lange eingesetzt werden und welche Kosten dabei entstehen. Falls die Ressourcen nur begrenzt verfügbar sind, empfiehlt es sich, eine Rangfolge für die Gesundheitsmaßnahmen festzulegen.

Schritt 5: Gesundheitsmaßnahmen

Die geplanten Maßnahmen unterteilen sich in verhaltenspräventive und verhältnispräventive Maßnahmen. Eine Kombination aus beiden Varianten ist besonders effektiv. Bei der Durchführung dieser Maßnahmen ist darauf zu achten, dass die festgelegte Vorgehensweise sowie die Arbeits-, Zeit- und Kostenpläne aus dem vorherigen Schritt eingehalten werden. Die Maßnahmen sollten entsprechend des Problemfeldes adäquat, zielführend und auf die Bedürfnisse der Zielgruppe ausgerichtet sein. Außerdem sollten sie einen nachweisbaren positiven Effekt erzielen und in einem möglichst vorteilhaften Kosten-Nutzen-Verhältnis stehen. Für die nachfolgende Bewertung des Erfolges ist eine umfangreiche Dokumentation der Maßnahmen unverzichtbar. Durch die Protokolle bzw. Berichte erfolgt eine Rückmeldung an alle Beteiligten und der Erfolg wird transparent gemacht.

Die Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung sind in vier Handlungsfelder zu unterscheiden: Bewegung, Ernährung, Stressbewältigung und Sucht. Die nachfolgende Tabelle zeigt mögliche Maßnahmen zur Verhaltens- und Verhältnisprävention in jedem Handlungsfeld auf.

Weitere Maßnahmen sind die betriebliche Vorsorgeuntersuchung, Belastungsanalysen „Psychische Gesundheit“, Arbeitskreis Gesundheit, Gesundheitszirkel, Gesundheitstage, Ruheraum und flexible Arbeitszeiten. Der ganze Umfang der möglichen Maßnahmen kann in diesem Artikel nicht abgebildet werden.

Schritt 6: Evaluation

Bei der Erfolgsbewertung wird überprüft, inwiefern durch die realisierten Maßnahmen die angestrebten Ziele erreicht werden konnten. Hierfür empfiehlt es sich, die gleichen Analyseinstrumente wie bei der Ist-Analyse einzusetzen. Es wird ein Soll-Ist-Abgleich vorgenommen, der die Zielvorgaben mit den erreichten Ergebnissen mittels Erfolgsindikatoren abgleicht. Die Durchführung der Evaluation kann anhand einer Projektgruppe unternehmensintern oder durch Experten extern erfolgen. Die Evaluierung sollte auf drei Ebenen durchgeführt werden:

1.   Strukturqualität: Wurden alle strukturellen Anforderungen und Bedingungen hergestellt, um die Ziele zu erreichen?

2.   Prozessqualität: Sind die Maßnahmen störungsfrei und exakt abgelaufen?

3.   Ergebnisqualität: Wie hoch ist der Grad der Zielerreichung?

Auf Basis der Evaluation werden die Maßnahmen optimiert und neue Handlungsfelder abgeleitet. Um den Erfolg der Maßnahmen beurteilen zu können, ist die Auswahl der richtigen Kennzahlen von großer Bedeutung. Bei den Kennzahlen wird zwischen Früh- und Spätindikatoren unterschieden. Spätindikatoren wie Fehltage, Fehlzeiten, Krankenstand, Krankheitsdauer, Arbeitsqualität, Produktivität und Anzahl von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten stehen erst später fest und geben Aufschluss darüber, ob die Ziele erreicht wurden. Die Frühindikatoren ermöglichen eine frühzeitige Zielkorrektur und damit eine Steuerung der Zielerreichung, da durch sie die Wahrscheinlichkeit einer späteren Zielerreichung eingeschätzt werden kann. Beispiele für Frühindikatoren sind das Jahresbudget für das BGM, die Anzahl der Angebote für die BGF und der Prozentsatz der Inanspruchnahme, objektiver Gesundheitszustand, Commitment der Mitarbeiter sowie die Beteiligungsquote an Gesundheitszirkeln. Da sich Unternehmen stets weiterentwickeln, ist auch das BGM immer an die neue Situation anzupassen.

Welche Vor- und Nachteile bietet das BGM?

Die Unternehmer haben seit dem 01.01.2008 einen steuerlichen Vorteil. Das Unternehmen kann einkommenssteuerfrei bis zu 600 € pro Mitarbeiter und Jahr für Maßnahmen der BGF aufwenden, solange die Maßnahmen den Anforderungen der §§ 20 und 20a SGB V entsprechen. Wenn die Voraussetzungen erfüllt werden, ist vieles förderungsfähig (z. B. Fitnessmitarb, Raucherentwöhnung, Schulung „mitarbeiterorientierte Führung“). Bei kleineren oder mittleren Unternehmen, die oft nicht die Kapazität haben, um eigene Gesundheitsförderungsmaßnahmen anzubieten, werden externe Angebote in Form von steuerfreien Barleistungen bezuschusst. Die Krankenkassen bieten den Unternehmen bei den Analysen, dem Strukturaufbau und bei den einzelnen Maßnahmen Unterstützung in beratender und finanzieller Hinsicht an. Sie sind zur Förderung von Leistungen zur Gesundheitsförderung in Betrieben gesetzlich verpflichtet. Die Ausgaben der Krankenkassen für die Förderung betragen seit dem Jahr 2019 insgesamt für jeden Versicherten 7,52 Euro. Von diesem Betrag wenden die Krankenkassen mindestens 2,15 Euro für Gesundheitsförderung in Lebenswelten (§ 20 a SGB V) und mindestens 3,15 Euro für Gesundheitsförderung in Betrieben (§ 20 b SGB V) auf. Von dem Betrag für Gesundheitsförderung in Betrieben wenden die Krankenkassen mindestens 1 Euro für Maßnahmen auf, die in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen erbracht werden. Für die Beratung haben die Krankenkassen gemeinschaftlich eine BGF-Koordinierungsstelle eingerichtet. Sind die Maßnahmen wirksam und werden Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten verhütet, kann der Unfallversicherungsträger eine Prämie gewähren. Genau wie die Rehabilitationsämter und Integrationsämter bei Einführung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements. Manche Unfallkassen wie die Unfallkasse Berlin unterstützen die Unternehmen kostenfrei und bieten bei Erfüllung bestimmter Prämissen einen finanziellen Zuschuss an. Weitere Vorteile für den Arbeitgeber sind die Reduktion von Fehlzeiten, die Verringerung der Fluktuation und die Steigerung der Bindung sowie der Produktivität der Beschäftigten. Dies führt wiederum zu einer Erhöhung der Kundenzufriedenheit und -bindung. Durch die Etablierung des BGM kann es zu einer Verbesserung der Produkt- und Dienstleistungsqualität, der Corporate Identity, der Attraktivität sowie der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit kommen. Die innerbetriebliche Kooperation wird gestärkt und das Unternehmen wird flexibler. Bei dem Arbeitnehmer kann das BGM zu einer Verringerung der gesundheitlichen Beschwerden sowie der Arbeitsbelastung führen. Es werden sowohl sein Wohlbefinden, seine Arbeitszufriedenheit und seine Motivation gesteigert als auch praktische Fähigkeiten für ein gesundes und präventives Verhalten im Unternehmen und in der Freizeit vermittelt. Die innerbetriebliche Kommunikation zwischen Kollegen und auch zu den Vorgesetzten wird durch das BGM gestärkt und die individuelle Leistungsfähigkeit gefördert. Durch eine höhere Arbeitszufriedenheit und eine gute interbetriebliche Kommunikation identifiziert sich der Mitarbeiter mit dem Unternehmen und wird dadurch mehr an das Unternehmen gebunden.

Es ist aber auch zu erwarten, dass bei der Etablierung eines BGM Widerstände entstehen können, insbesondere in klein- oder mittelständischen Unternehmen. Bei der Geschäftsführung ist der Widerstand meist auf Informationsdefizite zurückzuführen. Als Gründe werden zumeist die hohen Kosten, das vorrangige Tagesgeschäft, der bereits geringe Krankenstand, das Desinteresse von Mitarbeitern am BGM und die nicht immer umsetzbaren Maßnahmen angegeben. Aber auch der BGM-Beauftragte kann Probleme bereiten, wenn er die Aufgabe per Dienstanweisung zugewiesen bekommen hat oder damit überfordert ist. Das BGM funktioniert insofern nur, wenn sich die Mitarbeiter freiwillig beteiligen und das BGM nicht als Eingriff in ihre Privatsphäre verstehen. Auch die Angst vor Mobbing oder Peinlichkeiten kann die Mitarbeiter an der Beteiligung hindern. Werden die Familienangehörigen der Beschäftigten von den Sportkursen ausgeschlossen, kann dies ein weiterer Ablehnungsgrund sein. Ein gutes Verhältnis zwischen der Führungsebene bzw. den Vorgesetzten und den Mitarbeitern kann zur Akzeptanz des Betriebliches Gesundheitsmanagement im ganzen Unternehmen beitragen.

Noch nicht überzeugt?

Gerade in der dienstleistungsorientierten Branche der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, in denen ohne das Personal praktisch keine Gesundheitsdienstleistungen erbracht werden können, ist das betriebliche Gesundheitsmanagement unverzichtbar. Nicht nur für das Personal stellt das betriebliche Gesundheitsmanagement eine erhebliche Verbesserung dar, auch jeder Patient möchte von „gesunden“ und zufriedenen Pflegekräften gepflegt werden. In einer Zeit des Fachkräftemangels und einer durchschnittlichen Verweildauer gelernter Pflegekräfte von 8 (Altenpflege) bis 13 (Krankenpflege) Jahren ist es in der Verantwortung der Führungsebene, die Voraussetzungen und Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte zu verbessern.

 

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

Autorin: Antonia Mertens

Tel.: 030 330 996 – 25

Mail: mertens@bkgev.de

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