Interview mit Prof. Dr. Johannes Gräske, Professor für Pflegewissenschaften an der Alice Salomon Hochschule Berlin

Akademisierungsquote, Qualifikationsmix und die Umsetzungsprobleme - wo stehen wir heute?

Interview mit Prof. Dr. Johannes Gräske über die die Herausforderungen nach dem Start der Pflegestudiengänge mit Einführung des Pflegeberufegesetzes. Wo stehen wir heute?

(„I“ = Nachfrage Interviewerin)

1.       Herr Prof. Dr. Gräske, Sie sind Professor für Pflegewissenschaften an der Alice Salomon Hochschule Berlin und dort Studiengangsleiter des primärqualifizierenden Bachelorstudiengangs Pflege. Der Wissenschaftsrat hat 2012 gefordert, dass 10 bis 20 Prozent der in der Pflege beschäftigten Menschen ihre Qualifikation in Form eines Studiums erlangen sollten. Wo stehen wir heute?

Prof. Dr. Gräske: „Ja, das ist eigentlich eine gute Frage, denn so richtig weiß es ja tatsächlich niemand. Was wir wissen, ist, dass die Akademisierung Mitte der Neunziger angefangen hat, aber eben primär in den Bereichen Pflegewissenschaft, Pflegepädagogik und Pflegemanagement. Also, das heißt, wir haben durchaus auch in der Leitungsfunktion und in den Funktionsbereichen einen hohen Anteil an akademisch qualifizierten Menschen. Aber das, was der Wissenschaftsrat ja eigentlich möchte, sind akademisierte Pflegekräfte in der direkten Versorgung. Seit dem Jahr 2020 haben wir das Pflegeberufegesetz, welches das erste Mal die akademische Pflegeausbildung, also das Pflegestudium für die Arbeit am Bett tatsächlich gesetzlich legitimiert. Davor gab es das immer nur als Modellklausel und nun kommen wir das erste Mal so langsam dahin, dass es die ersten Absolventen/-innen aus diesem Bereich gibt. Also die Modellklausel, das Studium Bachelor of Nursing an der Evangelischen Hochschule Berlin und akademisierte Pflegekräfte, gibt's schon länger, aber eben noch nicht in der breiten Masse. Offizielle Statistiken gibt es nicht, aber es gibt eine Umfrage vom VPU (Anm. = Verband der Plegedirektoren/-innen der Unikliniken), die in den Universitätskliniken erfragt haben, wie viele akademische Pflegekräfte in der direkten Versorgung arbeiten und das ist im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Das hat also nichts mit den 10 bis 20 Prozent zu tun, die, das muss man fairerweise auch sagen, einfach behauptet wurden. Es gibt überhaupt gar keine Evidenz dafür, wie hoch der Anteil sein sollte. Wenn man das aber als Richtlinie nimmt, sind wir davon ganz weit weg.“

2.       Welchen Stand hat Deutschland hinsichtlich des Qualifikationsmix in der Pflege und des Anteils an akademisierten Pflegekräften im europäischen/ internationalen Vergleich? Was sind die Gründe dafür?

Prof. Dr. Gräske: „Die Ausbildung ist seit 2020 gesetzlich legitimiert. Die hochschulische Ausbildung, das heißt, die ersten Studiengänge, die gleich im Frühjahr 2020 angefangen haben, bringen die Absolventen/-innen Ende dieses Jahres raus. Das heißt, alle, die vorher akademisch ausgebildet worden sind, befinden sich entweder in den Funktionsbereichen, also Pflegedienstleitung, Qualitätsmanagement etc. oder aber eben ganz rar gesehen im Rahmen der Modellklausel. Das heißt, international gesehen, und das muss man ja wirklich in aller Deutlichkeit sagen, ist ja der Bachelor die Berufszulassung. Also, es ist keine Zusatzqualifikation, sondern es ist die Berufszulassung oder Fachkraft. Und wir leisten uns in Deutschland im Moment den Irrsinn, dass wir zwei unterschiedliche Berufswege haben, nämlich die berufliche Ausbildung und die akademische Ausbildung. Beide münden am Ende in demselben Berufsbild. Das ist etwas, was völlig an der Wunschvorstellung vorbeigeht. Das, was wir fordern müssen, um einfach diesen Qualifikationsmix tatsächlich zu erreichen, wäre, dass leistungsrechtlich bestimmte Tätigkeiten akademischen Pflegekräften zugeschrieben werden, also alles, wo es um Pflegediagnostik geht, um evidenzbasierte Pflegeplanung und auch die Heilkundeübertragung. Wenn man sich die Module anguckt, dann gehört das nicht in die berufliche Ausbildung, sondern ist im Bereich der akademischen Ausbildung anzusiedeln. Wenn man das leistungsrechtlich, also abrechnungsrelevant für die Leistungsanbieter hinterlegen würde, dann würde das auch den Boost geben, den wir brauchen.“

I: Sehen Sie eine Unklarheit in der (Zu-)Ordnung der Berufsbilder vor dem Hintergrund der Heilkundeübertragung (§ 64d SGB V)?

Prof. Dr. Gräske: „Ja natürlich, denn die Modellklausel für die Heilkundeübertragung schließt die Hochschule gar nicht mit ein. Wir dürfen gar kein Modellprogramm aufsetzen, weil wir da gar nicht erwähnt wurden ,d. h. wir können das immer nur in Zusammenarbeit mit einer Pflegeausbildung machen.“

I: Welche Gründe sehen Sie dafür?

Prof. Dr. Gräske: „Weil es einfach nicht zu Ende gedacht ist. Wenn Sie sich mit Politikern/-innen unterhalten, dann ist es oftmals so, dass viele verstehen, dass wir die Akademisierung brauchen, es halbherzig unterstützen, aber die ganzen Probleme, die es bei der Umsetzung gibt, nicht wirklich verstehen. Also, dass wir eine leistungsrechtliche Unterscheidung zwischen beruflich oder betrieblich ausgebildeten und hochschulisch ausgebildeten Pflegekräften brauchen, dass wir eine verbindliche Akademisierungsquote brauchen, das ist in der Politik noch nicht angekommen. Wir müssen auch ein bisschen aufpassen, welche Bürde man den ersten Absolventen/-innen auferlegt, wenn es heißt, dass damit alles besser wird.“

I: Gibt es ein vergleichbares Land, in dem es so geregelt ist, wie in Deutschland?

Prof. Dr. Gräske: „Also, es gibt meines Wissens nach drei oder vier Länder, wo die Fachkräfte nicht akademisch ausgebildet werden und ich kenne kein Land, wo es parallel eine berufliche oder betriebliche und eine hochschulische Ausbildung gibt, die dann in demselben münden."

3.       Die angebotenen Studienplätze sind kaum zu 50 Prozent besetzt und die Abbruchquote liegt bei 10 Prozent. Welche Hemmnisse existieren für die Studierenden, diesen Studiengang zu wählen und auch durchzuhalten?

Prof. Dr. Gräske: „Die Abbruchquote von 10 Prozent, die hätte ich gerne. Wir haben eine Abbruchquote von 50 Prozent. Die 10 Prozent, glaube ich, sind deutlich zu niedrig gegriffen, bundesweit. Die Gründe sind zum einen die Finanzierung der Studierenden. Man hat im Grunde genommen die Anforderungen der beruflichen Ausbildung einfach an die Hochschule gesetzt, aber die Finanzierung nicht mitgenommen. Das heißt, der Workload ist ja identisch beziehungsweise sogar noch ein bisschen höher, weil ja die wissenschaftlichen Komponenten dazukommen. Unsere Studierenden sitzen entweder acht Stunden im Hörsaal oder sind acht Stunden in der Praxis. Wovon sollen die denn leben? Es kann nicht funktionieren, dass jemand acht Stunden auf der Station oder im Wohnbereich arbeitet und danach noch sechs Stunden an der Kasse sitzt. Das kann nicht funktionieren, aber so ist das Prinzip jetzt. Der Workload ist extrem hoch und die Finanzierung muss jetzt einfach kommen. Es gibt viele unterschiedliche Initiativen. Ich bin im Vorstand der Bundes-Dekanekonferenz Pflegewissenschaft, die als Sprachrohr der Hochschulen einiges über die Hochschulrektorenkonferenz gemacht haben, aber auch der Deutsche Pflegerat, der DBfK gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft haben sich vielfach positioniert. Ich war in verschiedenen Wissenschaftsausschüssen auf Landes- und Bundesebene sowie im Gesundheitsausschuss. Da ist vielfach Druck erfolgt und zumindest hat Karl Lauterbach auf dem Deutschen Pflegetag im letzten Jahr gesagt, dass er die Finanzierung umsetzen wird und dies auch im Bundestag später wiederholt. Wir bekommen jetzt relativ klare Signale aus dem Familienministerium, als federführendes Ministerium im Pflegeberufegesetz, dass das Pflegeberufegesetz angepasst wird. Aber wir wissen noch nicht wann, wir wissen noch nicht wie. Die Studierenden brauchen eine Finanzierung und zwar relativ kurzfristig, damit die Studiengänge nicht eingestellt werden. Außerdem ist das Berufsbild noch völlig unklar und somit die Frage, warum ich studieren soll, wenn ich keine Unterscheidung zur beruflichen Ausbildung habe? Wir brauchen eine klare Tätigkeitsbeschreibung für die akademischen Pflegekräfte in Abgrenzung zur beruflichen und diese muss auch leistungsrechtlich verortet sein. Wir arbeiten mit tollen Kooperationseinrichtungen zusammen, die sagen ‚wir würden gern die akademischen Pflegekräfte einsetzen, weil wir den Mehrwert wirklich sehen‘. Über die Pflegekassen kann ich nur die beruflich ausgebildete Pflegekraft abrechnen.“

I: Unterstützen die Praxiskooperationspartner die Studierenden mit freiwilliger Zahlung einer Vergütung?

Prof. Dr. Gräske: „Es gibt einige Einrichtungen, die eine typische Praktikumsvergütung in Höhe eines Minijobs zahlen. Es gibt eine Altenpflegeeinrichtung und ein Krankenhaus in Berlin, die ein Stipendium geben, die die Studierenden mit etwa 1000 € monatlich finanzieren, aber immer verbunden mit einer Bindungsfrist von zwei Jahren. Das hat man in der beruflichen Ausbildung nicht. Wenn der Ausbildungsvertrag beendet ist, dann kann man wechseln. Das hindert die Studierenden im Moment daran, die Stipendien anzunehmen.“

4.       Welche Probleme bestehen in der Ausgestaltung der Lehre und in der praktischen Ausbildung? (Stichwort Praxisbegleitung und Refinanzierung der Praxisanleitung)

Prof. Dr. Gräske: „Die Praxisbegleitung ist mit extremen Aufwendungen verbunden ist. Wir arbeiten viel mit kleinen Einrichtungen zusammen, d. h. wir haben viele Fahrtwege und müssen uns auch jedes Mal in die jeweilige Einrichtung einfinden. Wir machen das gern. Aber wir hätten auch gern ein System, wo das für uns Lehrende als Arbeitszeit gilt, weil die Fahrtzeiten nicht vergütet werden. Das ist ein Problem. Der Anteil an Praxisbegleitung, also wenn wir als Hochschule in die Einrichtungen gehen und dort mit den Studierenden Zeit verbringen, ist von der Senatsverwaltung mit viel zu wenig Zeit vorgegeben (pro Praxiseinsatz eine dreiviertel Stunde pro studierender Person). Wir können also keine echte Praxisbegleitung machen, die aber aus unserer Sicht sehr wichtig ist, um diesen Theorie-Praxis-Transfer zu gewährleisten. Und der zweite Punkt ist die Finanzierung der Praxisanleitung. Die erfolgt aktuell nicht, was dazu führt, dass Einrichtungen die Praktikumsplätze eher den beruflich Auszubildenden geben, weil sie dafür Geld bekommen. Verdenken kann man es den Einrichtungen nicht. Außerdem wird der Anteil von 10 Prozent Praxisanleitung meistens unterschritten, neben dem Problem, dass unsere Studierenden eigentlich von akademischen Pflegekräften begleitet werden sollen, die es ja praktisch nicht gibt.“

I: Kann der dritte Lernort (Skills Labs) eine Antwort auf das Problem mit der Praxisbegleitung sein?

Prof. Dr. Gräske: „Nein, das ist im Grunde genommen ein Zwischenschritt zwischen Theorie und Praxis, denn wir wissen ja, dass die Praxis momentan noch nicht wissensbasiert arbeitet. Wir brauchen dieses Critical Thinking, was die Studierenden hier üben sollen, bevor sie in die Praxis gehen. Sie sollen dort hinterfragen, sie sollen evidenzbasiert arbeiten und Pflegediagnostik anwenden. Wir fragen unsere Studierenden auch regelmäßig, warum sie hier sind und ob sie auch in die berufliche Ausbildung gehen würden. Etwa 80 – 90 Prozent der Studierenden sagen, dass sie die berufliche Ausbildung nicht gewählt hätten, d. h. wir generieren zusätzliche Pflegekräfte, die, wenn es die Studiengänge nicht gäbe, etwas anderes lernen würden. Das muss man auch ganz deutlich der Politik gegenüber kommunizieren, dass wir neben dem qualitativen auch einen quantitativen Mehrwert haben."

I: Warum wollen Pflegestudierende Pflege studieren?

Prof. Dr. Gräske: „Weil sie wissen, dass das internationaler Standard ist, sie besser wissensbasiert ausgebildet werden und natürlich auch bessere Berufschancen sehen, sei es, dass sie mit dem Masterabschluss in die Leitungsfunktion gehen oder sich in Richtung ANP (Anm. = Advanced Nursing Practitioners) oder Community Health Nurse weiterentwickeln, was in der Ausbildung zur Pflegefachkraft so nicht möglich ist.“

5.       Wie lassen sich akademisch ausgebildete Pflegekräfte in der Versorgung einsetzen?

Prof. Dr. Gräske: „Es gibt ja Vorbehaltsaufgaben, die für die Pflegekräfte beschrieben sind, die aber nicht unterschieden sind zwischen beruflicher und akademischer Ausbildung. Was wir brauchen, ist die Heilkundeübertragung, aus meiner Sicht ausschließlich für die akademischen Pflegekräfte. Dann hätten wir irgendwann ein Berufsbild, das eigenständig und losgelöst von den ärztlichen Anordnungen arbeiten kann. Die Einsatzchancen sehen wir in der Pflegediagnostik, Pflegeintervention und Pflegeevaluation. Dann hätten wir etwas, das einen echten Mehrwert darstellt. Sie müssen das ja nicht immer durchführen, sondern sie müssen das wissensbasiert erarbeiten, d. h. entsprechende Studienlage ersuchen und auf den konkreten Einzelfall transferieren. Dieser qualitative Sprung muss sich natürlich auch monetär widerspiegeln. Aber Vorsicht, diese Absolventen/-innen sind keine ANP´s und werden auch nicht alles revolutionieren. Sie sind einfach anders qualifiziert. Der Einsatz von Assessmentinstrumenten, wissensbasierte Interventionen, das Lesen und Verstehen von Studien - für all das sind beruflich ausgebildete Pflegekräfte nicht qualifiziert, ohne einen Vorwurf daraus zu machen.“

6.       Im Oktober 2022 nahmen Sie an einer Anhörung im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses teil. Was war Ihre Forderung?

Prof. Dr. Gräske: „Die Umsetzung des Koalitionsvertrages, der ja die Finanzierung für die Studierenden für die Praktikumsphasen vorsieht. Das wurde mit juristischen Bedenken abgelehnt von der Senatorin. Es waren Gelder in den Doppelhaushalt eingestellt, die aber nicht ausbezahlt worden. Die zweite Forderung ist, dass wir für den Studiengang Welpenschutz brauchen. Uns ist bewusst, dass wir Startschwierigkeiten haben. Wir arbeiten daran, die Studierendenzahlen nach oben zu bringen. Das Hauptproblem ist allerdings die Finanzierung der Studierenden und dass es so, wie es im Moment läuft, einfach nicht studierbar ist.“

7.       Nach der Anhörung im Ausschuss wurde ein Antrag auf Empfehlung einer Berliner Bundesratsinitiative für eine angemessene Vergütung von Pflegestudierenden mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen. Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote setzt hinsichtlich der Vergütung auf eine rechtliche und finanzielle Lösung durch den Bund, welche durch den Gesundheitsminister für das erste Quartal 2023 signalisiert wurde. Was wissen Sie über den aktuellen Stand?

Prof. Dr. Gräske: „Es gibt klare Aussagen aus der Abteilung Wohlfahrtspflege vom Referatsleiter des Familienministeriums. Es wird eine Änderung des Pflegeberufegesetzes geben mit der Integrierung der Pflegestudierenden in den Ausbildungsfond, d. h. Sicherung der Ausbildungsvergütung und die Finanzierung der Praxisanleitung. Aber es ist im Moment nur eine Ankündigung. Es soll vor der Sommerpause noch durchs Parlament. Das halte ich für sehr sportlich. Ich kenne niemanden, der/die einen Referentenentwurf gesehen hat zu dem Gesetz. Wir wissen weder, was drinnen steht, noch wann das real kommt. Unser Wunsch ist, dass man uns Hochschulen mit unseren Erfahrungen mit einbezieht und nicht an uns vorbei agiert.“

I: An den Pflegeschulen gibt es einen Lehrkräftemangel. Sieht es an den Hochschulen ebenso aus?

Prof. Dr. Gräske: „Wir haben nicht diese Auflagen, wie in der Berufsfachschule. Unsere Lehrkräfte brauchen keinen (Pflege-)Pädagogikmaster. Dadurch haben wir ein bisschen mehr Freiheiten und kriegen unsere Stellen auch ganz gut besetzt, allerdings nicht mit Pflegepädagogen/-innen, da die Pflegeschulen unter Umständen mehr zahlen aufgrund des Mangels. Wir haben große Probleme unsere Professuren zu besetzen. Das liegt daran, dass die Nachwuchsförderung im Pflegebereich über viele Jahre völlig verschlafen wurde. Es gibt kaum Promotionsmöglichkeiten im Pflegebereich. Mit dem Pflegeberufegesetz haben bundesweit vielleicht 30 Pflegestudiengänge angefangen, d. h. dass überall Professoren/-innen gesucht werden.“

I: In Deutschland haben wir keine Fakultät für Pflege mehr, richtig?

Prof. Dr. Gräske: „Ja.“

8.       Pflegestudierende in Bayern erhalten ein Stipendium. Für einen Festbetrag von 600 € mtl. verpflichten sich die Stipendiaten/-innen nach dem Abschluss, mindestens drei Jahre in Bayern in einer Pflegeeinrichtung zu arbeiten. Ein guter Weg auch für Berlin? Was meinen Sie?

Prof. Dr. Gräske: „Was machen denn 600 € heutzutage? Dafür bekomme ich ja noch nichtmal ein WG-Zimmer. Dafür soll ich mich drei Jahre verpflichten, während beruflich Auszubildende das Doppelte bekommen und im Anschluss frei entscheiden können, wo sie hingehen? Das ist doch völlig unattraktiv.“

9.       Welchen Appell geben Sie heute mit?

Prof. Dr. Gräske: „Durchhalten, die Studiengänge stärken. Ich würde auch herausarbeiten, was der Mehrwert in der Praxis ist. Das ist vielen unklar. Ich würde Aufklärungsarbeit leisten, was Studierende tatsächlich zum Versorgungsprozess beitragen können. Ich würde leistungsrechtlich fixieren, was die Aufgaben der akademischen Pflege sind. Wenn es eine Refinanzierung für den Einsatz gibt, dann laufen auch die Studiengänge, weil dann alle Bedarf anmelden. Auf gar keinen Fall wieder von dem System abkehren. Man muss die Pflegestudiengänge stärken, weil sie tatsächlich einen Mehrwert bringen. Die Studienlage ist da völlig klar - je mehr akademisierte Pflegekräfte ich einsetze, desto besser sind die Versorgungsoutcomes Richtung Mortalität, Rehospitalisierung, etc. Da gibt es international keinen Zweifel mehr dran.“

 

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Johannes Gräske, Professor für Pflegewissenschaften an der Alice Salomon Hochschule Berlin

Das Interview führte:

Juliane Ghadjar, Kampagnenkoordinatorin #PflegeJetztBerlin

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