Wie die Integration ausländischer Pflegekräfte gelingt

Strukturiertes Konzept statt Bauchgefühl: wie die Integration ausländischer Pflegekräfte gelingt

Buchcover Integration, Roedenbeck Schäfer

Umfassende Expertise in Sachen Pflegekräfte aus dem Ausland gibt es bei den DRK Kliniken Berlin. Im Rahmen eines strukturierten Anwerbungs- und Integrationsprogramms, für das Isabell Berger, Leiterin Bildung in der DRK-Schwesternschaft Berlin e.V., zuständig ist, wurden drei größere Gruppen internationaler Fachkräfte aus Vietnam, von den Philippinen und zuletzt aus Kolumbien in die Krankenhäuser geholt. Maja Schäfer, Leiterin Strategisches Recruitment, hat außerdem zwei Fachbücher zum Thema veröffentlicht.

Briefe nach Vietnam

Die erste Gruppe ausländischer Fachkräfte kam 2017 recht überraschend. Nur drei Monate vergingen zwischen der Zusage an die Vermittlungsagentur bis zur Einreise der zwölf Vietnames*innen. In aller Eile wurde ein Integrationskonzeptvorbereitet, ein Curriculum für eine sechsmonatige Anpassungsqualifizierung entwickelt und vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) anerkannt.

Die Onboardingmaßnahmen bestanden damals aus Briefen mit Teamfotos, die nach Vietnam geschickt wurden, einer Willkommensfeier mit allen Führungskräften, kleinen Begrüßungsgeschenken und Tandempartner*innen aus den Pflegeteams, die sich jeweils um eine*n Arbeitsmigranten*in kümmerten. Vier bestanden die Anerkennungsprüfung im ersten und vier im zweiten Anlauf. Für die anderen wurde eine Sondergenehmigung für eine verkürzte Pflegeausbildung beantragt. „Aus diesem Pilotprojekt haben wir gelernt, dass es ungünstig ist, sehr junge Menschen direkt nach ihrem Studium nach Deutschland zu holen. Weil sie noch sehr unselbstständig sind und keine Berufserfahrung haben“, erinnert sich Isabell Berger.

Weitermachen, aber diesmal besser vorbereitet

Dennoch waren sich die Verantwortlichen einig, dass sie mit der internationalen Rekrutierung weitermachen wollten - vor allem als Signal an die Mitarbeitenden der DRK Kliniken Berlin, dass etwas gegen den Personalmangel unternommen wurde. Klar war aber nun, dass das Anwerbungs- und Integrationskonzept langfristiger gedacht werden musste. „Trotz aufwändigem Behördenmarathon: die Anwerbung ausländischer Pflegefachkräfte ist nicht das größte Problem“, sagt Recruitingstrategin Maja Schäfer. „Viel schwieriger ist es zu erreichen, dass sich die neuen internationalen Mitarbeitenden in den Teams wirklich wohl und in Deutschland auch sozial und emotional angekommen fühlen.“

Was neben der fachlichen Einarbeitung und dem organisatorischen Startprogramm wichtig ist, erklärt sie im Fachratgeber „Betriebliche, kulturelle und soziale Integration ausländischer Pflegekräfte“, Walhalla Fachverlag, 2020. Dazu gehört: Hobbys und Kirchengemeinden finden, frühzeitig Karrieremöglichkeiten anbieten, interkulturelle Kompetenzen im Unternehmen aufbauen, Angebote zur Verbesserung der deutschen Sprachkenntnisse auch nach Erreichen des B2-Levels machen und vieles mehr. „Wichtig ist, dass die Maßnahmen einem strukturierten Konzept folgen, evaluiert werden und eine Qualitätskontrolle durchlaufen“, so Schäfer. Wenn die Integration „nach Bauchgefühl“ erfolge oder am Engagement einer einzelnen, womöglich ehrenamtlich tätigen Person hänge, gehe das langfristig selten gut.

Ein zweiter Anlauf

Mit einem anderen Anbieter wagte Bildungsexpertin Isabell Berger 2018 einen zweiten Anlauf: zwölf Pflegekräfte reisten von den Philippinen ein. Philippiner*innen dürfen ihre Heimat erst zwei Jahre nach der Ausbildung verlassen, bringen also schon Berufserfahrung und Selbstständigkeit mit. Den Anpassungskurs bei den DRK Kliniken Berlin begannen die neuen Kolleg*innen diesmal erst drei Monate nach der Einreise, damit sie zunächst in Ruhe auf den Stationen ankommen konnten.

Mit diesem Konzept verbesserten sich die Erfolge: acht von zwölf bestanden die Prüfung im ersten Anlauf, für die anderen wurden individuelle Lösungen gefunden. „Die Einführung in Kleingruppen ist eine gute Strategie. Es macht keinen Sinn, die Stationen mit ausländischen Fachkräften zu überschwemmen“ ,resümiert Isabell Berger. Zu ihren Aufgaben als Integrationsbeauftrage gehört die sorgfältige Auswahl und Vorbereitung der Teams auf die neuen ausländischen Kolleg*innen. „Die Erwartungshaltung muss angemessen sein. Es ist wichtig zu vermitteln, dass ein Dreivierteljahr vergehen kann, bevor die ausländische Kollegin vollwertig eingesetzt werden kann.“

Zusätzlicher Deutschunterricht wurde organisiert und wieder viel gelernt: Zum Beispiel, dass es keinen Sinn macht, die internationalen Kolleg*innen sofort in den Abteilungen einzuteilen, in denen sie in der Heimat gearbeitet haben und gerne wieder arbeiten würden. Meist sind das nämlich die Intensivstation, der OP oder die Anästhesie. Pflegekräfte aus dem Ausland haben studiert und sind andere Aufgaben als deutsche Pflegekräfte gewohnt. Doch ohne ausreichende Sprachkenntnisse und Berufserfahrung in Deutschland sind sie zunächst auf den peripheren Stationen besser aufgehoben – allerdings auch oft unzufrieden. Rechtzeitige Personalentwicklungsstrategien sind ein wichtiges Gegenmittel, um die Kündigung zu verhindern.

Ausgebuchter Anpassungskurs

Die internationale Rekrutierung bei den DRK Kliniken Berlin befindet sich inzwischen in der dritten Runde. Wegen der Pandemie hat sich die Einreise von 25 kolumbianischen Pflegekräften, die bereits im Jahr 2019 vor Ort in Kolumbien aus 300 Bewerber*innen ausgewählt wurden, verzögert, doch im Frühjahr 2022 konnten Crismar, Claudia, Oscar & Co. endlich kommen. Vier Wochen lang dauerte das Einführungsprogramm z. B. in den DRK Kliniken Berlin Köpenick - von der Hygieneschulung über das Kennenlernen mit der Pflegedienstleitung und dem Kaufmännischen Leiter bis hin zu Übungen in den Skills Labs und ersten Feedbackgesprächen. In der Zeit wurden die Kolumbianer*innen noch nicht im Dienstplan eingeteilt, wie das leider bei vielen anderen Arbeitgebern vom ersten Tag an üblich ist.

Mit dem Anpassungskurs, den die neuen Mitarbeitenden aus Südamerika nun besuchen, kennt sich das biz Bildungszentrum der DRK-Schwesternschaft Berlin inzwischen so gut aus, dass er ab 2023 fortlaufend angeboten wird. Zweimal im Jahr können bis zu 16 Teilnehmer*innen die Anerkennung ihrer ausländischen Pflegequalifikation erreichen. Der Januarkurs ist schon seit Monaten komplett ausgebucht!

Text: DRK Kliniken Berlin / Maja Schäfer

Weitere Informationen

Interview mit Isabell Berger: "Ausländische Pflegekräfte sollten auf Stationen eingesetzt werden, auf denen viel kommuniziert wird": https://recruiting2go.de/internationales-recruiting-auslaendische-fachkraefte/auslaendische-pflegekraefte-sollten-auf-stationen-eingesetzt-werden-auf-denen-viel-kommuniziert-wird/

Fachbuch: „Betriebliche, kulturelle und soziale Integration ausländischer Pflegekräfte: Wie ausländisches und einheimisches Personal nachhaltig zusammenfindet“ von Maja Roedenbeck Schäfer und Olivia Prauss, Walhalla Fachverlag, 2020: https://recruiting2go.de/maja-roedenbeck-schaefer/buecher/betriebliche-kulturelle-und-soziale-integration-auslaendischer-pflegekraefte-wie-auslaendisches-und-einheimisches-personal-nachhaltig-zusammenfindet/

Fachbuch: “Wie die Anwerbung von ausländischen Fachkräften gut gelingen kann: Internationales Recruiting in Sozial- und Gesundheitsunternehmen” von Maja Roedenbeck Schäfer, Walhalla Fachverlag, 2018: https://recruiting2go.de/internationales-recruiting-auslaendische-fachkraefte/wie-die-anwerbung-von-auslaendischen-fachkraeften-gut-gelingen-kann/

Artikel- und Bildrechte: DRK Kliniken Berlin, Spandauer Damm 130, 14050Berlin, drk-kliniken-berlin.de

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