Eine Herausforderung für das Pflegemanagement
Das Verschwinden der Boomergeneration vom Arbeitsmarkt durch Renteneintritt wirft ein Schlaglicht auf einen häufig vernachlässigten Faktor des Fachkräftemangels in der Pflege: das Altern des Berufsstands (Krail, 2005). Damit wird deutlich, dass neben diversen Maßnahmen der Personalgewinnung eine gezielte Strategie nötig ist, um auch älteren Pflegefachpersonen möglichst lange das Arbeiten im Pflegeberuf zu ermöglichen.
Individuelle Lösungen statt pauschaler Konzepte
Es gilt nun die Generation X (geboren zwischen 1965-1980) im Beruf zu halten. Diese Gruppe wünscht sich Spaß an der Arbeit, Unabhängigkeit und Individualität (Stanley, 2010). Damit wird offenkundig, dass eine Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen der Schlüssel zum Verbleib im Beruf sein wird (Greenley et al., 2024).
Die Vorstellungen älterer Pflegefachpersonen im Hinblick auf ihre Tätigkeit unterscheiden sich. Einige wünschen sich körperliche Entlastung oder bestimmte Arbeitszeiten. Andere sehen weiterhin Möglichkeiten, in vollem Umfang oder in bestimmten Arbeitsbereichen tätig zu bleiben. Ferner gibt es einige Kolleginnen und Kollegen, die den Beruf mit dem Renteneintritt beenden möchten, andere wünschen sich, darüber hinaus tätig zu bleiben.
Pauschale Maßnahmen reichen in der Regel nicht aus, um diesen verschieden Bedürfnissen gerecht zu werden. Es bedeutet auf individuelle Bedürfnisse, Lebensphasen und Potenziale der Mitarbeitenden einzugehen und diese Vielfalt aktiv zu fördern.
Zwei Beispiele aus dem Klinikalltag
Unterschiedliche Bedürfnisse – unterschiedliche Wege
Pflegefachmann, 60 Jahre, hat in den vergangenen Jahren eine zunehmende körperliche Belastung durch die Arbeit gespürt. Gleichzeitig bringt er einen wertvollen Erfahrungsschatz mit. Er kennt Abläufe im Schlaf, hat viele Situationen erlebt – aber die Nachdienste strengen ihn zunehmend an. Stattdessen möchte er sein Wissen gerne weitergeben und neue Mitarbeitende einarbeiten.
Pflegefachfrau, 65 Jahre, fühlt sich gesundheitlich fit und liebt Spät- und Nachdienste. Für sie sind diese Schichten besser planbar und sie kann konzentrierter Arbeiten. Auch über den Rentenbeginn hinaus möchte sie noch mit wenigen Diensten Teil des Teams bleiben.
Diese Beispiele verdeutlichen: Altersgerechtes Arbeiten ist individuell. Pauschale Maßnahmen greifen zu kurz.
Was hilft? Empfehlungen Die Grundlage ist einfach – aber oft vernachlässigt. Regelmäßige, offene Gespräche zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden helfen, passende Arbeitsmodelle zu finden. Es sind mehrere Interventionen beschrieben, die darüber hinaus zum Erfolg führen können (Montayre et al., 2023):
· Flexible und/ oder reduzierte Arbeitszeitmodelle
· Mentorenprogramme zur Weitergabe des Wissens und der Expertise an unerfahrene Pflegefachpersonen
· Edukation zur Unfallprävention – etwa rückenschonendes Arbeiten
· Spezifische Fort- und Weiterbildungen für erfahrene Pflegefachpersonen
Wer gut zuhört, kann gezielt unterstützen. Voraussetzung ist, den Fokus auf die Veränderung der Organisation, nicht auf die der Individuen zu setzen (Greenley et al., 2024).
Fazit
Altersgerechtes Arbeiten ist kein fertiges Konzept aus der Schublade. Es ist ein Prozess, der im Stationsalltag beginnt – durch Zuhören, Flexibilität und klare Absprachen. Wer Arbeitsbedingungen so gestaltet, dass sie zur Lebenssituation passen, hält nicht nur Fachkräfte länger im Beruf, sondern sorgt auch für mehr Zufriedenheit im Team. Es bedeutet tragfähige Lösungen für den beruflichen Verbleib zu entwickeln, in deren betriebliche Anforderungen sowie persönliche Interessen in Einklang sind.
Literatur
Greenley, R., Aiken, L. H., Sermeus, W., & McKee, M. (2024). Strengthening Europe’s Nursing Workforce: Strategies for Retention.
Krail, K. A. (2005). Retaining theretiring nurse: Keeping the nursing shortage at bay. Nurse Leader, 3(2), 33–36. https://doi.org/10.1016/j.mnl.2005.01.005
Montayre, J., Knaggs, G., Harris, C., Li, W., Tang, L. M., de Almeida Neto, A., & Antoniou, M. (2023). What interventions and programmes are available to support older nurses in the workplace? A literature review of available evidence. International Journal of Nursing Studies, 139, 104446. https://doi.org/10.1016/j.ijnurstu.2023.104446
Stanley, D. (2010). Multigenerational workforce issues and their implications for leadership in nursing. Journal of Nursing Management, 18(7), 846–852. https://doi.org/10.1111/j.1365-2834.2010.01158.x
Autorin & Ansprechpartnerin:
Corinna Schwarzer, B.A.
Bereichspflegeleitung für Intensivmedizin, Kardiologie und Neurologie
Vivantes Klinikum im Friedrichshain
Landsberger Allee 49
10249 Berlin
Tel. +49 30 130 233651
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