Die Zahl der Beschäftigten in der Pflege und auch die Zahl der Auszubildenden stieg in den vergangenen Jahren an. Trotz dieses positiven Trends reicht der Anstieg nicht aus, um den Bedarf zu decken. Die Pflegeausbildung stellt eine der wichtigsten Säulen der Fachkräftesicherung der Pflege dar.

Menschen für die Ausbildung gewinnen

 

Der Mai-Newsletter PflegeJetztBerlin widmet sich dem Thema „Attraktivität der Ausbildung“ und stellt aktuelle Entwicklungen und Handlungsfelder sowie gute Beispiele aus Gesundheitseinrichtungen vor.

Die Zahl der Beschäftigten in Kliniken und Pflegeeinrichtungen stieg in den vergangenen 10 Jahren um 18 Prozent an, so veröffentlichte es die aktuelle Pflegestatistik zum 11. Mai 2022. Einen besonders hohen Anteil an diesem Zuwachs hat die Zahl der Beschäftigten in Pflegeheimen und in der ambulanten Pflege. Auch die Zahl der Auszubildenden stieg mit der Einführung der generalistischen Pflegeausbildung an.

Trotz dieses positiven Trends reicht der Anstieg nicht aus, um die Versorgungslücke besonders im Altenpflegebereich zu schließen.

Die im Auftrag der BKG erstellte Studie „Situation und Entwicklung der Pflege in Berlin bis 2030“ des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) verdeutlicht, dass allein in Berlin bis 2030 zusätzliche 10.000 Pflegekräfte gewonnen werden müssen, um dem steigenden Bedarf zu begegnen. So prognostizieren Bevölkerungshochrechnungen, dass im Jahr 2030 rund 270.000 Berliner/-innen über 80 Jahre alt sein werden − fast doppelt so viele wie heute. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sind deshalb auf ausreichend viele und zufriedene Beschäftigte angewiesen sind.

Hierbei stellt die Pflegeausbildung eine der wichtigsten Säulen zur Fachkräftesicherung in der Pflege dar. Junge Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern, die Ausbildung moderner und attraktiver zu gestalten und den Berufsbereich der Pflege insgesamt aufzuwerten, war Ziel des Pflegeberufereformgesetzes und ist ein elementares Postulat der Kampagne #PflegeJetztBerlin.

Doch was sagt uns der Gesamtüberblick? Welche Auswirkung hat die Reformierung der Pflegeausbildung auf die Nachfrage, also auf Bewerber/-innenzahlen? Bleiben diese auch langfristig „an Bord“? Was gibt es zu tun?

Konstruktion generalistische Pflegeausbildung

Mit der Reform wurden die früher getrennten Pflegeausbildungen zum/r Gesundheits- und Krankenpfleger/-in, Altenpfleger/-in und Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/-in zusammengeführt. Die Grundidee: Alle Auszubildenden durchlaufen zunächst zwei Jahre lang eine gemeinsame, generalistisch ausgerichtete, Ausbildung. Sie können sich dann entscheiden, ob sie diese generalistische Ausbildung auch im dritten Ausbildungsjahr fortsetzen möchten oder sich in Richtung Altenpflege oder Gesundheits- und Kinderkrankenpflege spezialisieren. Am Ende der Ausbildung erhalten sie jedoch alle die Berufsbezeichnung Pflegefachfrau oder Pflegefachmann.

Aktuelle Zahlen für die Generalistik

Die gute Nachricht ist, dass seit Einführung der 2020 gestarteten neuen Pflegeausbildung das Interesse am Zukunftsberuf Pflege so groß ist wie nie. 61.458 Auszubildende haben im Jahr 2021 eine Ausbildung in der Pflege begonnen. Das waren sieben Prozent mehr als im Jahr 2020. Auch im zweiten Jahr nach Inkrafttreten des Pflegeberufegesetzes stieg die Zahl der Auszubildenden zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann bundesweitweiter an. Inzwischen mehren sich jedoch Klagen über hohe Abbruchquoten. Allein an Berliner Pflegeschulen stieg die Abbruchquote, im Vergleich zum Jahr 2020 mit 10 Prozent (213 Jugendliche von 2.118 Auszubildenden), auch im Jahr 2021 auf bis zu 30 Prozent an. Als Gründe dafür sind selten die mangelnde Bezahlung, sondern vielmehr schlechte Arbeitsbedingungen, kaum Zeit für gezielte Ausbildung und eine hohe emotionale Belastung zu nennen, die dafür sorgen, dass viele vorzeitig abbrechen. Pflegeschüler/-innen werden häufig wie examinierte Pflegekräfte in den Pflegealltag mit eingebunden, was zu einer hohen Belastung und Überforderung führt. Die Corona-Pandemie trug ihr Übriges dazu bei, dass auch Auszubildende unter erschwerten Bedingungen wie Homeschooling, Kompensierungsleistung für Personalausfall und reduzierter Anleitung lernen mussten. Die Berliner Krankenhausgesellschaft konnte, passend zum Thema dieses Newsletters, eine Auszubildende, welche ihre Ausbildung zur Pflegefachfrau abgebrochen hat, interviewen und nach ihren Beweggründen fragen.

Interview Ausbildungsabbrecherin:

Die ehemalige Auszubildende ist 24 und studiert Soziale Arbeit. Sie hat 2017 ihre Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin in einer deutschen Uniklinik angefangen.

Vor allem hat sie die praktische Ausbildung abgeschreckt, da es wenig aktive Begleitung in der Praxis gibt, weder von Seiten der Schule noch von Pflegekräften auf der Station. Ebenfalls benennt sie die Tatsache, dass sie häufig täglich mit anderem Personal zusammenarbeiten musste. Als Verbesserungsvorschläge benennt sie, dass für eine Ausbildung in der Pflege mehr praktische Erfahrung in der Pflege als Voraussetzung von Nöten wäre, da die oftmals vorgeschriebenen zwei Wochen, ihrer Meinung nach, nicht ausreichen und kein ausreichend realistisches Bild über die tatsächliche Praxis abgeben.

Ebenfalls nennt sie die Belastung des Schichtdienstes, mit der man mit Beginn der praktischen Ausbildung konfrontiert wird und schlägt vor, Auszubildende langsam heranzuführen und beispielsweise darauf zu achten, dass die Auszubildenden pro Woche lediglich eine Schicht übernehmen und keine Schichtwechsel entstehen.

Darüber hinaus kritisiert sie die Einarbeitung von Auszubildenden und teilweise fehlende Erstgespräche.

Zudem werden praktische Einsätze aus ihrer Sicht ineffizient geplant, da einige Einsätze zu lang sind und dadurch der Lerneffekt stagniert. Sie schlägt vor, eine Priorisierung der Einsatzorte für Auszubildende vorzunehmen und dabei andere Auszubildende einzubeziehen.

Auch das Thema Anleiten und Beraten kommt aus ihrer Sicht in der Praxis zu kurz. Sie schlägt vor, mehr praktischen Unterricht in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen durchzuführen. Dies wäre gleichermaßen für die Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen eine Entlastung, da auch im praktischen Alltag das Thema Anleiten und Beraten oftmals zu kurz kommt und somit die Pflegekräfte auf der Station entlastet würden.

Weitere Gründe für den Abbruch: Keine Selbstverwirklichung, viel Delegation, Hierarchiesystem im Krankenhaus. Daraus folgende wenig Aufstiegschancen, fehlende Einheitlichkeit, was Auszubildende dürfen.

Fazit

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die Gründe für die Ausbildungsabbrüche in der Pflege ganzheitlich betrachtet werden müssen. Dabei lassen sich verschiedene Teilbereiche ausdifferenzieren: (hoch-)schulbezogene, praxisbezogene, kognitive und persönliche/verhaltensbezogene Gründe, die einander zwar oft bedingen, aber unterschiedliche Lösungsansätze erfordern, um den Herausforderungen umfassend zu begegnen.

Konkrete Projektarbeit

Die  Kampagne #PflegeJetztBerlin widmete sich u. a. dem Thema Berufsorientierung und initiierte eine Abfrage von Kapazitäten von Schüler/-innenpraktikumsstellen in den Einrichtungen. Parallel dazu startete die Pflegeverwaltung im Rahmen der Informationskampagne #PflegeDeineZukunft ein Angebot, welches  Schüler/-innen die Möglichkeit bietet, freie Praktikumsstellen zu finden. Zur Vermeidung von Doppelungen verweist die Berliner Krankenhausgesellschaft ihre Mitglieder darauf, freie Praktikumsstellen direkt an die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung zu übermitteln.

Im Rahmen des Pflegeberufegesetzes verhandelte die Berliner Krankenhausgesellschaft, als gesetzlicher Vereinbarungspartner, die Ausbildungsbudgets für die praktische Ausbildung. Es ergab sich unter anderem eine Berücksichtigung einer 2% igen Basisbereinigung und einer jährlichen jeweiligen 2%igen Steigerung von Sachaufwands- und Gemeinkosten und somit eine Anpassung der Pauschalbudgets für die ausbildenden Einrichtungen für die Jahre 2023 und 2024. Mit diesem Ergebnis wird der finanzielle Rahmen für die praktische Ausbildung in den Einrichtungen gestärkt und die Voraussetzungen für eine gute Praxisanleitung der Auszubildenden fundiert.

Im Zuge des Pflegeberufereformgesetzes wurde in Berlin, beginnend zum Herbst 2022 mit dem Pflegefachassistenzgesetz ein neuer Beruf geschaffen, der die Weichen für einen Qualifikationsmix aus Pflegeassistenzpersonen, Pflegefachpersonen und akademischen Pflegefachpersonen stellen soll. Den angehenden Pflegeassistenzpersonen werden mit der 18-monatigen Ausbildung zur/zum Pflegefachassistent/-in Kompetenzen vermittelt, die über die Kompetenzen der bisherigen Ausbildung der Altenpflegehilfe und Krankenpflegehilfe hinausgehen und zugleich generalistisch ausgerichtet ist. Für einen ganzheitlichen Überblick zur neuen Pflegefachassistenzausbildung und den Unterschieden zu den bisherigen Ausbildungsgängen erarbeitete die Berliner Krankenhausgesellschaft Zusammenfassungen und passte die von der Deutschen Krankenhausgesellschaft entwickelten Kooperationsverträge nach dem Pflegeberufegesetz an das Pflegefachassistenzgesetz an.

Der Kampagnenbeirat tagte Anfang des Monats Mai und beriet sich zu aktuellen Herausforderungen und Problemlagen. Betont wird abermals die Bedeutung des Problems Leiharbeit in der Pflege. Die Einrichtungen befinden sich im Spannungsfeld zwischen dem Grundverständnis einer qualitativ hochwertigen und sicheren Patient/-innenversorgung und der Problematik Personalausfälle ausgleichen zu müssen. Vor diesem Hintergrund besteht nach wie vor der Zugzwang, auf Leasingkräfte zurückgreifen zu müssen, obschon starke qualitative Einbußen zu verzeichnen sind. Der Leasingmarkt bedient diese Entwicklung und die Rahmenbedingungen begünstigen die Nachfrage. Die Berliner Krankenhausgesellschaft wird sich diesem Thema im Rahmen einer Fachveranstaltung widmen und die Debatte neu aufgreifen.

Ein weiteres Handlungsfeld stellt die steigende Anfrage/Bewerbungen von ukrainischen geflüchteten Menschen bei gleichzeitiger Sprachbarriere dar. Den Einrichtungen mangelt es an konkreten Weiterleitungsmöglichkeiten für Angebote bzgl. Sprachkursen. Vor dem Hintergrund der beruflichen Perspektive und des damit verbundenen Arbeitskräftepotentials, prüft die BKG eine schnelle, niedrigschwellige und wirksame Option für beide Seiten.

 

 

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